30.4.2021 - Jann Raveling

Die Digitalisierung der Baubranche mitgestalten

Finanzierung

Ein Tag im Leben von Syniotec-Gründer Rezi Chikviladze

Gründer Rezi auf einer Baustelle
Gründer Rezi auf einer Baustelle © Syniotec

Noch während seines Studiums an der Jacobs University gründete Rezi Chikviladze mit zwei Partnern das Start-up Syniotec, ehemals Sharemac. Heute klopfen selbst große Konzerne bei den Bremern an – wir haben ihn einen Tag begleitet.

Während ihres Studiums kommen die angehenden Wirtschaftsingenieure Rezi Chikviladze und Manuel Kimanov auf die Idee für ein innovatives Geschäftsmodell. Sie gründen gemeinsam mit ihrem damaligen Professor Dr. Sven Voelpel ein Unternehmen, das nur drei Jahre später 28 MitarbeiterInnen in zwei Ländern beschäftigt. Gemeinsam haben sie ein Online-Portal für Baumaschinen entwickelt – und damit einen Nerv in der Branche getroffen. Bauunternehmen können darauf die Maschinen, die sie gerade nicht nutzen, zur Miete anbieten. Mittlerweile liegt der Fokus des Start-ups auf dem SMART ASSET MANAGER , kurz SAM. Mit der Software überwachen und managen Bauunternehmen ihre Projekte und den gesamten Bauprozess. Für uns hat Rezi Chikviladze einen typischen Tag in dem durchstartenden Unternehmen protokolliert.

Ein Arbeitstag im Leben von Rezi Chikviladze

08:00 Nach dem Aufwachen wandert mein Blick als Erstes zum Handy. Bei Syniotec nutzen wir zur internen Kommunikation den Messaging-Dienst Slack, wo wir für jeden Bereich eine Gruppe haben. In der Gruppe mit den Entwicklern ist morgens am meisten los, da morgens wichtige Kundentermine anstehen und am Tag davor alles durchgecheckt wurde. Danach stehe ich auf und mache mich fertig. Das geht schnell, weil ich morgens nie frühstücke.

08:45 Als Student habe ich auf dem Campus der Jacobs University gewohnt. Jetzt lebe ich mit einer Freundin in einer WG in der Neustadt. Von hier fahre ich bei gutem Wetter mit dem Fahrrad in das Syniotec-Büro in der Sögestraße.

09:00 Als Erstes begrüße ich alle Kolleginnen und Kollegen im Büro. Wir haben insgesamt 28 Mitarbeitende. Davon arbeiten 18 Entwicklerinnen und Entwickler bei der Syniotec-Tochterfirma, unserem TechHub in meiner Heimat Georgien. Die anderen zehn sind hier in Bremen. Wegen Corona sind wir aber nicht alle gleichzeitig im Büro, sondern wechseln uns ab.

09:15 Auf dem Weg zur Kaffeemaschine schmeiße ich den 3D-Drucker an, mit dem wir die Gehäuse für unsere Telematikboxen drucken. Die fertigen Boxen werden dann bei unseren Kunden an den Baumaschinen installiert und erfassen dort alle relevanten Gerätedaten. Dazu gehört unter anderem, wo die Maschine steht und wie lange sie mit welchem Vorgang ausgelastet ist. Diese Informationen laufen in die SAM-Software, die von den Unternehmen für die Projektorganisation genutzt wird. Wir entwickeln die Software immer weiter, sodass man damit auch die Personalplanung und andere Prozesse managen kann. Letztlich bildet SAM den ganzen Bauprozess ab.

Die Digitalisierung steht in der Baubranche vielfach noch am Anfang. Im Bereich des Konstruierens und Bauens von Gebäuden wird mit dem Building Information Management, BIM, ein System allmählich Standard, dass ein digitales Gebäudemodell nutzt, um verschiedenen Gewerken wie der Bauplanung, Architektur, Handwerk oder Bauunternehmen digitalen Zugriff auf Daten und Modelle zu gewähren. Syniotec entwickelt mit dem SMART ASSET MANAGER hingegen ein System, dass es Bauunternehmen ermöglicht, ihre realen Prozesse digital abzubilden und zu verwalten. Dazu gehört eine Echtzeit-Übersicht über den eigenen Maschinenpark – wofür die Telematikboxen zum Einsatz kommen, die jederzeit über Mobilfunk Positions- und Zustands-Daten an die Zentrale senden können. Neben einer allgemeinen Übersicht können Unternehmen ihre Maschinen im SAM organisieren, planen und den Transport organisieren. Ziel: Mehr Transparenz zu schaffen, Standzeiten zu minimieren und dadurch Kosten im Unternehmen reduzieren. Das System stößt auf große Resonanz und wird von großen Konzernen wie der Strabag bereits eingesetzt. Sie erhalten so jederzeit Einsicht darüber, wo sich ihre Maschinen befinden und welche Kapazitäten noch frei sind.

Gründer Rezi bei der Arbeit
Gründer Rezi bei der Arbeit © Syniotec

09:30 An meinem Laptop checke ich erst einmal E-Mails und halte mit dem Entwicklerteam in Georgien erste Rücksprachen.

10:00 Eigentlich teile ich mir mit Arne, unserem Finanzchef, das Büro. Weil wir wegen Corona aber nie gleichzeitig da sind, machen wir unsere täglichen Besprechungen zurzeit über das Videokonferenztool Whereby. Zu den Finanzthemen, die wir besprechen, gehörte in der Vergangenheit zum Beispiel die Beteiligung über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung durch die BAB – die Förderbank für Bremen und Bremerhaven. Gerade am Anfang war diese finanzielle Unterstützung extrem wichtig für uns, um die Dinge ins Laufen zu bringen. Heute sprechen Arne und ich über den Umzug in ein größeres Büro in Bremen, den wir noch dieses Jahr in Angriff nehmen wollen. Wir wachsen derzeit so schnell, dass wir mehr Platz benötigen.

Das Beteiligungskapital ermöglicht es innovativen, jungen Unternehmen, den nächsten Schritt zu gehen. Mit der Finanzspritze stemmen Startups Investitionen in neue Betriebsmittel, entwickeln neue Produkte und bauen ihr Geschäft aus. Neben dem EFRE-Fonds erhielt Syniotec zudem eine Förderung über das FEI-Programm der BAB – die Förderbank für Bremen und Bremerhaven. Mit diesem im Februar 2021 abgeschlossenen Projekt konnte Syniotec die Integration seiner Telematikboxen in die SAM-Plattform erfolgreich entwickeln. Ziel war es, die Live-Maschinendaten in die Anwendung zu integrieren, zu synchronisieren und nutzbar zu machen. Diese können entweder Mobilfunk oder im Nahbereich über RFID- oder NFC-Chips sowie über scanbare QR-Codes übermittelt werden.

Rezi Chikviladze auf der Baustelle im Schnee
Rezi Chikviladze auf der Baustelle. © Syniotec

12:00 Zwischendurch hole ich mir etwas zu essen oder lasse etwas liefern. Je nachdem wer da ist und auf was wir Lust haben, läuft es auf Sushi, Nudeln oder Pizza heraus. Gegessen wir dann im großen Konferenzraum mit viel Abstand. Da wir zurzeit maximal vier Leute im Büro sind, geht das ganz gut.

13:00 Im Anschluss haben wir Termine mit potenziellen Kunden, die wir für Projekte mit SAM gewinnen wollen. Momentan machen wir alle Besprechungen über Whereby. Das ist aber nicht schlimm, weil wir unser Produkt auch online gut erklären und zeigen können. In dieser Hinsicht hat Corona uns nicht geschadet. Im Gegenteil: Die Baubranche bekommt gerade zu spüren, wie wichtig es ist, sich mit neuen digitalen Technologien auseinanderzusetzen. Das kommt uns und unserer Software zugute, da die Bauunternehmen schnell das Potenzial erkennen.

15:00 Einmal am Tag gehe ich mit Manu, mit dem ich Syniotec, damals noch Sharemac, gegründet habe, spazieren. Wir laufen am Wall oder an der Schlachte entlang und besprechen, wie die Termine gelaufen sind. Zurück im Büro nehme ich das fertige Gehäuse aus dem 3D-Drucker und starte den nächsten Druck.

Das große Alleinstellungsmerkmal der Syniotec-Software ist ihr Umfang: Früher mussten Unternehmen auf mehrere verschiedene Softwares setzen, um Projektplanung, Maschinenverwaltung, Personaleinsatz oder Anbíndung an die Buchhaltung zu ermöglichen. Oft waren diese untereinander wenig bis kaum kompatibel. Informationen jetzt direkt zwischen Abteilungen und Unternehmensbereichen im selben System austauschen zu können, ermöglicht völlig neue Digitalisierungspotenziale – besonders wenn dies mit der Echtzeitüberwachung der Telematikboxen und RFID-Codes verbunden wird, die Syniotec anbietet.

Bereits über 32.000 verschiedene Baumaschinen und –Geräte sind in der Syniotec-Datenbank erfasst. Unternehmen müssen nicht einmal mehr die eigenen Geräte händisch in das System eingeben, weil die grundlegenden Daten bereits vorhanden sind.

16:00 Zeit für einen Datencheck: Ich prüfe im SAM-Backend, ob die bei unseren Kunden installierten Telematikboxen ordentlich laufen. Da es auf Baustellen durchaus etwas ruppiger zugeht, schaue ich, dass die Boxen korrekt funktionieren und die Daten problemlos in SAM einlaufen.

17:30 Zwei Mal in der Woche machen wir über Whereby ein Teammeeting mit allen Kolleginnen und Kollegen in Bremen. Danach spreche ich noch mit unserem TechHub in Georgien, um zu sehen, wie weit das Team mit dem aktuellen Sprint ist. Um die Prozesse übersichtlich darzustellen, arbeiten wir mit dem Projektmanagement-Tool Asana. Damit können wir uns zum Beispiel gegenseitig Tickets zur Bearbeitung zuweisen.

18:30 Im Anschluss checke ich LinkedIn, um mit meinem Netzwerk im Kontakt zu bleiben, schreibe E-Mails und arbeite meine To-Do-Liste ab. Das mache ich so lange, bis der 3D-Drucker keine Geräusche mehr von sich gibt.

19:30 Erst wenn der 3D-Drucker fertig gedruckt hat, packe ich zusammen und fahre nach Hause.

19:50 Bevor ich mir etwas zu essen mache, telefoniere ich manchmal noch mit Manu. Je nachdem was am nächsten Tag ansteht, besprechen wir Termine und tauschen uns über die inhaltlichen Themen grob aus.

Neben der Software für die Baubranche betreibt Syniotec zudem eine Plattform zum Verleih von Baumaschinen. Für die Branche durchaus ein lukratives Geschäft – denn manche Geräte wie etwa Kräne können bis zu 75 Prozent der Zeit ungenutzt auf dem Hof stehen und kosten somit Geld, ohne Einnahmen zu generieren. Der automatisierte Verleih funktioniert ebenfalls über die SAM-Plattform: Maschinen, die mit den Syniotec-Boxen ausgerüstet und an SAM angeschlossen sind, können bei geringer Auslastung an andere Unternehmen verliehen werden. Unter syniotec.de finden sich bereits hunderte verschiedener Geräte – von Baggern über Kräne, Hubplattformen bis hin zu Radladern oder Kreissägen. Unternehmen können so Standzeiten weiter reduzieren und eine zusätzliche Einnahmequelle generieren. Einstellen oder mieten ist direkt online über die Plattform möglich – dank der Hardwareerfassung mit wenigen Klicks.

Rezi Chikviladze am Schreibtisch
Rezi Chikviladze am Schreibtisch © Syniotec

21:00 Nach dem Essen spiele ich noch ein bis zwei Stunden online Schach. Außerdem lerne ich noch ein bisschen für die Fahrprüfung. Mein georgischer Führerschein ist in Deutschland nicht gültig, deswegen muss ich die Prüfung hier noch einmal ablegen.

23:00 Nachdem ich ein letztes Mal E-Mails und Slack gecheckt habe, gehe ich schlafen. Am nächsten Morgen geht es dann wieder ins Büro. Auch am Wochenende steht manchmal Arbeit an. Mir ist bewusst, dass andere in meinem Alter wahrscheinlich mehr Freizeit haben als ich. Mit der Gründung eines Start-Ups lebt man auch dafür. Wir wollen wachsen und der führende Anbieter von digitalen Lösungen für die Baubranche werden. Die Chancen dafür stehen gut: Die Baubranche ist bis dato kaum digitalisiert. Und während andere Unternehmen in unserem Segment einzelne Lösungen anbieten, den Fokus also auf einzelne Funktionen setzen, gibt es bei uns mit SAM das Gesamtpaket. Das Potenzial ist riesig – und der Einsatz lohnt sich.

Über die EFRE-Förderung

Das Startup wurde über den Beteiligungsfonds des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Mit dieser Finanzierung unterstützt die Europäische Union Investitionen und Betriebsmittel, die im Zusammenhang mit der Produktentwicklung, Markteinführung oder einer zur Realisierung eines nächsten Entwicklungsschrittes notwendigen Ausweitung des Geschäftsbetriebs stehen.

Zudem wurde das Unternehmen über das Programm Forschung, Entwicklung und Innovation (FEI) unterstützt, das ebenfalls Mitteln aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung/EFRE-Darlehensfonds Bremen kofinanziert wird. Die FEI-Förderung fördert Projektkosten für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben bei innovativen Vorhaben mit dem Ziel, betriebswirtschaftliche Risiken zu minimieren.

Erfolgsgeschichten


Startup Map Bremen
04.11.2024
Startup-Standort Bremen: Jetzt noch sichtbarer

In Bremen geht jede Menge - gemeinsam mit dem lokalen Gründungsnetzwerk hat das Starthaus Bremen und Bremerhaven die interaktive Startup Map erstellt. Visualisiert wird das gesamte Startup-Ecosystem, inklusive interessanter Unternehmen, Universitäten, Unterstützer:innen und Programme.

Entdecke die Startup Map Bremen
Social Entrepreneurship
27.08.2024
„Dieses Mal wollen wir es anders und besser machen.“

Nach der Auflösung ihres ersten Unternehmens PARU GmbH standen Erik Ruge und Paul Kukolka vor der Entscheidung: Aufgeben oder neu anfangen? Sie entschieden sich für den Neuanfang und gründeten Casca Minga, ein Unternehmen, das koffeinhaltige Erfrischungsgetränke aus der Schale der Kaffeekirsche herstellt. Sie erzählen im Interview, wie sie aus Fehlern gelernt und mit frischer Energie einen zweiten Anlauf gewagt haben.

zum Artikel
Erfolgsgeschichten
16.08.2024
Der süße Traum vom eigenen Candy Shop

Wie ein Kind im Süßwarenladen kann sich Kim Sarah Wendt-Wehmeyer jeden Tag bei der Arbeit fühlen. Und ihre große und kleine Kundschaft erst recht. Die 24-Jährige ist Gründerin und Inhaberin von „Kim’s Candy Shop“ in Bremerhavens Fußgängerzone.

Zum Artikel bei der BIS Bremerhaven