12.8.2024 - Wolfgang Heumer

Mit Mut und Geschmack

Erfolgsgeschichten

Bremerhavenerin verwirklicht kurzentschlossen ihren Traum vom eigenen Café und schafft einen Treffpunkt im Ortsteil

Auf eine Tasse Kaffee: Anja Brantzen hat mit ihrem Café einen Treffpunkt für alle Generationen im Bremerhavener Stadtteil Surheide geschaffen. © Wolfgang Heumer

Die Rückwand aus glänzenden schwarzen Kacheln verleiht dem kleinen Café Eleganz. Der Tresen davor besticht durch seinen rechtwinkligen Glaskörper, der freien Blick auf selbst gebackenen Kuchen, frisches Brot und Brötchen und andere Leckereien gibt. Auch das übrige Interieur ist mit sicherer Hand für Stil und Wirkung zusammengestellt. „Das habe ich alles nach und nach im Internet gefunden; Freunde und die Familie haben mir beim Zusammenstellen und Aufbauen geholfen“, sagt Anja Brantzen. Vor gut drei Monaten hat sie das Lokal eröffnet; längst ist „Annie’s Café“ ein gefragter Treffpunkt im Bremerhavener Stadtteil Surheide geworden. Jetzt, kurz nach Mittag, ist es etwas ruhiger, die 43-Jährige atmet einmal tief durch und lehnt sich für einen Moment entspannt auf dem grünen Sofa zurück, das zur gemütlichen Atmosphäre in dem Laden beiträgt. „Ich bin seit vier Uhr in der Früh auf den Beinen“, sagt sie und fügt nach einer kleinen Pause hinzu: „Der Einsatz lohnt sich. Ein eigenes Café - das macht einfach Spaß.“

Viele Menschen träumen davon, sich mit einem Café, Bistro oder Restaurant selbstständig zu machen. Doch zumeist bleibt es bei diesem Traum. Manchmal mangelt es am Mut oder Kraft, manchmal fehlt die passende Gelegenheit oder der richtige Anstoß zum richtigen Zeitpunkt. Anja Brantzen ging es lange Zeit ähnlich: „An diesem Laden bin ich so oft vorbeigefahren und habe immer wieder gedacht: daraus müsste man doch was machen können.“ Eineinhalb Jahre hatte sie sogar über dem lange Zeit leerstehenden Geschäft gewohnt. Doch nicht immer läuft es im Leben so wie erhofft. Statt wie geplant Lebensmitteltechnikerin zu werden, bekam Anja Brantzen früh zwei Töchter. Statt zu studieren absolvierte sie eine Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin. Was als Zwischenlösung gedacht war, erwies sich als erste Stufe auf der Karriereleiter. Anja Brantzen blieb im Handel, wechselte zu einem großen Discounter, in einer seiner Bremerhavener Niederlassungen wurde sie schließlich stellvertretende Filialleiterin. „Das war schon ganz gut“, sagt sie und meint damit die Arbeit, die Aufgaben, die Verantwortung als Führungskraft und auch die Bezahlung.

Ein Lächeln für die Gäste: Anja Brantzen ist mit Engagement und Spaß Gastgeberin in ihrem eigenen Café. © Wolfgang Heumer

Aber dann kam der Tag, der alles veränderte. „In der Filiale lief alles schief“, erinnert sich Anja Brantzen. Bis zum Feierabend ändert sich nichts daran. In dieser aufgewühlten Stimmung fuhr sie auf dem Weg nach Hause an jenem leerstehenden Einzelhandelsgeschäft in Surheide vorbei, das sie schon seit ihrer Jugendzeit kannte: „Da hat es klick gemacht“, sagt sie; „dort richte ich ein Café ein“, lautete ihre im selben Moment getroffene Entscheidung. Anja Brantzen ist eine zierliche Person, die eher mit leiser Stimme spricht als laut und entschieden aufzutreten. Doch an diesem scheinbar rabenschwarzen Tag zeigte sie, wie viel Entschlusskraft in ihr steckt. Kurzerhand nahm sie Kontakt mit der Eigentümerin des Hauses auf, die sie seit Jahren gut kannte - und musste eine schnelle Entscheidung treffen. „Es gibt noch einen anderen Interessenten“, habe ihr die Vermieterin gesagt und dabei deutlich gemacht: „Wer zuerst ja sagt, bekommt das Geschäft.“ Anja Brantzen überlegte nicht lange: „In der Situation habe ich den Mietvertrag spontan unterschrieben.“

Dass es kein Zuckerschlecken sein würde, ein eigenes Café zu betreiben, war Anja Brantzen schon während ihrer vergangenen Träumereien von der Selbstständigkeit klar geworden. Als Bäckereifachverkäuferin kannte sie sich mit der Grundmaterie – Backwaren und andere Lebensmittel – bestens aus. Sie wusste, dass der Tag in einem solchen Geschäft früh beginnt und vergleichsweise spät endet. Und sie war sich auch bewusst, dass ein eigenes Lokal nicht gleichbedeutend mit Reichtum sein würde. „Ich habe gelernt, mit wenig auszukommen, das hat mich wirklich nicht geschockt“, sagt sie. Auch länger als 7,5 oder vielleicht acht Stunden am Tag zu arbeiten, kannte sie vorher schon genauso wie den Aufwand der Warenbeschaffung, Preiskalkulation, Lagerhaltung und die Vielfalt an gesetzlichen Anforderungen. Nur mit einem hatte sie nicht gerechnet: „Meine Bank wollte mir keinen Kredit für die Einrichtung geben.“ Es lag weder an der Summe („das war eher ein kleinerer Betrag“) noch zweifelte das Finanzinstitut an der Bonität der angehenden Unternehmerin: „Es war einfach eine grundlegende Skepsis gegenüber einem finanziellen Engagement in der Gastronomie“, erinnert sie sich.

Der Schock saß tief: „Ich hatte ja den Mietvertrag schon unterschrieben.“ Doch Anja Brantzen ließ sich nicht entmutigen. Ein glücklicher Zufall führte sie zum Starthaus Bremerhaven und zur BAB – Die Förderbank. Businesspläne, Unternehmenskonzept, geschäftliche Perspektiven – trotz ihrer fachlichen Kompetenz waren dies für Anja Brantzen zunächst Themen aus einer ganz anderen Welt: „Aber dank der fachkundigen Beratung ließen sich auch diese Hürden überwinden.“     Dem Mikrokredit für den Aufbau des Cafés stand nichts mehr im Wege.

Familienbande: Ihre Töchter und ihre Mutter unterstützen Anja Brantzen nach Kräften. Von links: Anja Brantzen, Emily, Mutter Josefine und Lina. © Wolfgang Heumer

Die richtigen Menschen zur rechten Zeit an ihrer Seite zu haben, scheint ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Jungunternehmerin zu sein. An erster Stelle stehen ihre beiden Töchter Emily und Lina - wann immer es geht, arbeiten sie mit derselben Freundlichkeit und Aufmerksamkeit wie ihre Oma im Café. Anjas Mutter Josefine unterstützt ihre Tochter, wo immer es geht, häufig ist sie der gute Geist hinter den Kulissen: „Sie backt fantastische Kuchen.“ Eine ähnlich hohe Bedeutung hatten viele Freunde, die Anja Brantzen bei der Sanierung und dem Umbau des Ladenlokals unterstützten, Möbel transportierten und aufbauten, ihr auch mal Mut zusprachen, wenn die Kräfte in der Aufbauphase schwächer wurden. Nur einen vermisst sie immer wieder: „Ich habe ein bisschen Sorge, dass ich meinen Sohn Milan etwas vernachlässige.“ Weil sie trotz der Arbeit im Café noch genügend Zeit für den Neunjährigen haben will, steht sie morgens extra früher auf, um schon alles mögliche erledigt zu haben, bevor der Junge munter wird.

Der Erfolg rechtfertigt den persönlichen Einsatz. Annie’s Café hat sich längst zum Treffpunkt in Surheide entwickelt. Der Stadtteil liegt am östlichen Rand Bremerhavens. Eigentlich ist es eher ein selbstständiges Dorf, das Zentrum der Seestadt ist etwa ein Dutzend Kilometer entfernt. Auch zur nächsten großen Einkaufsgelegenheit muss man schon mit dem Auto fahren. „Da habe ich wohl mit dem Angebot an frischen Backwaren und einem gewissen Sortiment an Lebensmitteln eine Marktlücke getroffen.“ Morgens und vormittags kommen die Surheider zum Einkaufen, nachmittags sitzen sie zum Klönschnack bei Kaffee und Kuchen in „Annie’s Café.“ Ganz offensichtlich ist für Anja Brantzen ein Traum wahr geworden. Wie sie das hinbekommen hat, ist gleich neben dem Sofa zu sehen, auf dem sie gerade eine kurze Pause einlegt. Dort steht ein kleiner Schriftzug im Regal: „Mut ist die Kraft, die aus Träumen Wirklichkeit macht“.

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