27.8.2024 - Lisa Lubrich

„Dieses Mal wollen wir es anders und besser machen.“

Social Entrepreneurship

Vom Scheitern zum Neuanfang: Wie Erik und Paul von Casca Minga aus Rückschlägen eine Erfolgsgeschichte kreieren wollen

Erik Ruge und Paul Kukolka
Vom Scheitern zum Neuanfang: Erik Ruge und Paul Kukolka wagen mit Casca Minga einen zweiten Anlauf. © Casca Minga

Nach der Auflösung ihres ersten Unternehmens PARU GmbH standen Erik Ruge und Paul Kukolka vor der Entscheidung: Aufgeben oder neu anfangen? Sie entschieden sich für den Neuanfang und gründeten Casca Minga, ein Unternehmen, das koffeinhaltige Erfrischungsgetränke aus der Schale der Kaffeekirsche herstellt. Sie erzählen im Interview, wie sie aus Fehlern gelernt und mit frischer Energie einen zweiten Anlauf gewagt haben.

Hallo ihr beiden, bitte stellt euch einmal kurz vor!

Paul Kukolka: Wir sind Erik und Paul, die ehemaligen Gründer der PARU GmbH, bekannt für das Getränk Paru Te. Nun haben wir unser neues Unternehmen Casca Minga gegründet, das koffeinhaltige Erfrischungsgetränke aus der Cáscara, der Schale der Kaffeekirsche, herstellt. Ich bin ausgebildeter Süßwarentechnologe, studierter Lebensmitteltechnologe und derzeit im Masterstudium für Lebensmitteltechnologien. Erik hat neue Energie- und Umwelttechniken teilweise studiert und ist dann in den Studiengang Gründung, Innovation und Führungsmanagement gewechselt, den er aktuell als Bachelor abschließt.

Erik Ruge: Wir bringen beide umfassende Arbeitserfahrungen mit dem Produkt Cáscara mit. Ich habe zwei Jahre in Peru gelebt und dort gearbeitet, wodurch ich die Menschen, Prozesse und die Kultur vor Ort gut kenne. Diese Erfahrungen ergänzen sich hervorragend mit Pauls Wissen über lebensmitteltechnologische Prozesse. Derzeit sind wir in Peru tätig, um Prozessvalidierungen, Prozessausarbeitungen und Optimierungen durchzuführen.

Was bedeutet der Name „Casca Minga“ und warum heißt euer Unternehmen jetzt anders?

Erik: Das Unternehmen heißt jetzt Casca Minga, weil wir uns klar vom alten Unternehmen abgrenzen und einen vollständigen Neustart machen wollten. Der Name Casca Minga setzt sich aus zwei Teilen zusammen: "Casca" ist die Kurzform für Cáscara, die Schale der Kaffeekirsche, und "Minga" stammt aus dem Altperuanischen. "Minga" steht für ein soziales Zusammenkommen, oft für gemeinschaftliche Projekte. Ein Beispiel dafür wäre, wenn im Dorf eine Schule gebaut oder Straßen erneuert werden müssen, dann versammelt sich die Dorfgemeinschaft und arbeitet gemeinsam daran.

Paul: Erik und ich sind nach der Auflösung der PARU GmbH in Kontakt geblieben und haben weiterhin das Potenzial in dem Produkt Cáscara gesehen. Unsere Vision, den Menschen in Peru zu helfen und ihnen eine zweite Einnahmequelle zu bieten, blieb bestehen. Trotz eines kleinen Tiefs, das nach der Auflösung eines Unternehmens und der Konfrontation mit dem Scheitern natürlich vorkommt, haben wir uns wieder zusammengerauft und beschlossen, einen Neuanfang zu wagen. So gründeten wir Casca Minga, um unsere Vision weiterzuverfolgen und es noch einmal zu versuchen.

getrocknete Kaffeekirschen
Erik Ruge und Paul Kukolka schaffen einen Mehrwert für die Natur, indem sie die Cáscara sinnvoll weiterverarbeiten, anstatt sie am Feldrand oder in Flüssen verrotten zu lassen. © Casca Minga

Warum macht ihr nach all dem trotzdem weiter?

Paul: Wie wir bereits in der letzten Frage angedeutet haben, ist es das Potenzial der Cáscara, das uns weiter vorangetrieben hat. Für uns ist es immer noch unverständlich, dass ein Rohstoff in solchen Massen entsteht und nicht genutzt wird, besonders im Hinblick auf Wertstoffketten und die vollständige Nutzung von Lebensmitteln und Ressourcen. Hinzu kommt unser sozialer Hintergedanke.

Erik: Wir sind derzeit in Peru und sehen hautnah, dass die Menschen hier deutlich weniger haben. In Deutschland und Europa leben wir ein sehr privilegiertes Leben. Zu sehen, wie die Menschen hier, insbesondere die Bauern, trotz harter Arbeit oft nur wenig haben, motiviert uns, etwas zurückzugeben. Diese drei Kernpunkte – das ungenutzte Potenzial der Cáscara, die vollständige Nutzung von Ressourcen und der Wunsch, den Menschen hier zu helfen – treiben uns an und haben uns zu dem Entschluss gebracht, dass es eine coole Idee ist, das Projekt noch einmal neu anzugehen. Dieses Mal wollen wir es anders und besser machen.

Woher nehmt ihr den Mut und die Kraft, nach diesen Ereignissen nochmal neu anzufangen?

Paul: Unser Mut und unsere Kraft kommen aus mehreren Quellen. Zum einen erfahren wir sehr viel Support von unseren Familien, die uns beide mit voller Hingabe unterstützen. Zum anderen sind es die Menschen hier in Peru, die Erik persönlich kennt und die fast schon wie eine Familie für ihn sind. Auch ich lerne diese Menschen gerade kennen und werde genauso herzlich empfangen.

Erik: Diese Unterstützung und Herzlichkeit geben uns nicht nur Kraft, sondern auch eine gewisse Sicherheit, dass die Idee, die wir verfolgen, eine Gute ist. Das positive Feedback von den Menschen, die sich mit unserem Produkt auseinandersetzen, und die Ermutigung, die wir von ihnen erhalten, bestärken uns darin, dass wir auf dem richtigen Weg sind und dass unsere Intentionen die Richtigen sind.

Wie macht ihr es jetzt, also was macht ihr anders als im ersten Anlauf? Was hättet ihr rückblickend anders gemacht?

Erik: Durch unsere Erfahrungen mit dem ersten Unternehmen können wir jetzt deutlich schneller agieren. Wir kennen die Prozesse, wissen, an wen wir uns wenden  und worauf wir achten müssen. Die Kontakte zu Personen, die wir durch die erste Firma aufgebaut haben, bestehen noch immer und zeigen weiterhin Interesse an unserem Produkt. Diese bestehenden Verbindungen und unser gewonnener Erfahrungsschatz ermöglichen es uns, effizienter zu arbeiten und die Herausforderungen besser zu meistern.

Paul: Rückblickend hätten wir wahrscheinlich die Teamzusammensetzung anders gehandhabt. Beim ersten Unternehmen gab es starke charakterliche und visionäre Differenzen im Team, die letztlich zur Auflösung führten. Diese Differenzen hätten wir früher erkennen und angehen müssen. Außerdem haben wir beim ersten Mal sehr ins Blaue gegründet, voller Energie und Visionen, aber manchmal ohne den notwendigen Realitätssinn in Bezug auf bürokratische Hürden und administrative Anforderungen. Mit dem neuen Unternehmen fällt es uns jetzt leichter, motiviert zu bleiben, weil wir wissen, worauf wir uns einlassen. Wir sind besser darauf vorbereitet, dass es auch mal Tiefs gibt, durch die man gehen muss, um wieder auf den Berg zu kommen. Diese Erfahrungen haben uns gelehrt, dass Geduld und Ausdauer essenziell sind, um langfristig erfolgreich zu sein.

Casca Minga Getränke auf einem Messestand
Erik Ruge und Paul Kukolka stellen mit ihrem Unternehmen Casca Minga koffeinhaltige Erfrischungsgetränke aus der Cáscara her, der Schale der Kaffeekirsche. © Casca Minga

Was empfehlt ihr anderen, damit diese nicht in die gleiche „Falle“ tappen?

Paul: Wir empfehlen, sich sehr gut zu überlegen, mit wem man gründet. Auch wenn man mit Freund:innen gründet, heißt das nicht automatisch, dass es funktionieren wird. Es ist wichtig, sehr eng miteinander zu arbeiten und zu kommunizieren. Man sollte daher sicherstellen, dass alle Gründer:innen die gleichen Ziele, Ambitionen und den gleichen Einsatz haben. Ungleichgewichte können zu Unzufriedenheit führen, die sich verstärkt, wenn sie nicht direkt kommuniziert wird. Daher ist es entscheidend, im Gründer:innenteam eine sehr offene und regelmäßige Kommunikation zu pflegen.

Erik: Besonders bei sozial und nachhaltig orientierten Projekten sollte man sicherstellen, dass die Wertekompasse aller Beteiligten übereinstimmen. Ein Austausch über gemeinsame Werte und Ziele hilft, Missverständnisse zu vermeiden und eine solide Grundlage für die Zusammenarbeit zu schaffen.

Was wünscht ihr euch für die Zukunft?

Paul: Wir wünschen uns, mit unserem jetzigen Unternehmen einen nachhaltigen Impact zu schaffen. Wir streben danach, positive Veränderungen in der gesamten Wertschöpfungskette zu bewirken. Das beginnt bei den Bäuerinnen und Bauern im Land, die Kaffee anbauen und durch unser Projekt ein zweites Einkommen erzielen können. Wir möchten auch einen Mehrwert für die Natur schaffen, indem wir verhindern, dass die Schalen der Kaffeekirschen einfach am Feldrand oder in Flüssen verrotten. Stattdessen nutzen wir sie sinnvoll weiter.

Erik: Und schließlich möchten wir den Menschen in Deutschland und Europa die Möglichkeit geben, durch den Konsum unseres Getränks aktiv an dieser Veränderung teilzuhaben und einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt zu leisten.

Vielen Dank für euren offenen Worte!

Im Programm „Social Entrepreneur by Starthaus – Wirksam gründen“ berät das Starthaus gemeinsam mit dem Social Impact Lab Bremen (angehende) Sozialunternehmer:innen individuell, bedarfsorientiert und kostenfrei. Es richtet sich an all jene, die mit ihrer Idee einen sozialen Anker setzen wollen, indem sie gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimawandel, Fragen der Migration und Integration, Armut oder ähnliches lösen.

Wollt ihr ein Unternehmen gründen, euer Business sicher starten oder weiter wachsen? Dann schreibt uns gern eine Mail an info@starthaus-bremen.de oder ruft uns unter +49 (0)421 9600 372 an, wenn ihr Fragen zu eurer Gründung(sidee) habt. Wir haben die Antworten.

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