Hoch hinaus: Startups starten mit dem Inkubator ESA BIC Northern Germany durch
ESA BIC Northern GermanyEin Interview mit Inge Heydt aus dem Starthaus Bremen & Bremerhaven
Etwas erfinden oder erforschen, was mit der Rakete ins All geschickt wird: Was sich anhört wie ein Traum wird mit dem Raumfahrtinkubator ESA BIC Northern Germany greifbar. Und zwar nicht nur für die Teams aus der Luft- und Raumfahrtbranche. Wir haben uns mit Inge Heydt aus dem Starthaus Bremen & Bremerhaven unterhalten und erfahren, dass sowohl Raumfahrtideen auf der Erde genutzt werden sowie Ideen aus anderen Branchen die Raumfahrt vorantreiben können.
„Wie kommt das Neue in die Welt?“
Inge Heydt ist im Raum München aufgewachsen, ebenfalls einem Hotspot für technische Innovationen der Aerospace Industrie. „Viele meiner Mitschüler:innen kamen aus Tech-Familien der Branche. Das macht natürlich neugierig und so durfte ich schon recht früh spannende Einblicke bekommen“, erzählt die Startup-Beraterin heute. Für ihr Studium zog sie nach Bremen – und ist geblieben. „Auch Bremen ist eine agile Stadt, die sich in vielen Feldern immer wieder neu erfindet, offen ist und viele Möglichkeiten bietet, das gefällt mir“. Ihre Berufserfahrung aus den verschiedenen Branchen, wie der Wissenschaft, (maritimen) Logistik, dem Handel oder auch Bausektor, hat sie im Herbst 2021 mit ins Starthaus gebracht.
„Wie wichtige, tolle Entwicklungen auf den Markt gelangen, sich etablieren und wirksam werden,“ diese Fragen treiben Inge bereits viele Jahre an. Und diesen Weg gemeinsam mit den Teams und Unternehmen herauszuarbeiten oder zu schärfen, das begeistere sie immer wieder neu. „Die Startup-Teams kommen meist aus der technischen Entwicklung. Durch meine Erfahrung in unterschiedlichen Branchen und Unternehmensformen kann ich ihnen oft unterschiedliche Perspektiven vermitteln, die dazu beitragen ihre Strategie und Vorgehensweisen gezielter auszurichten. So unterstütze ich sie Fragen zur Kundengewinnung oder zu Geschäftsmodellen, die nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg bringen sollen, zu beantworten.“
Im Starthaus ist Inge zuständig für das Inkubationsprogramm ESA BIC Northern Germany. Sie unterstützt und begleitet Startups, die Technologien aus der Rahmfahrt nutzen, wie zum Beispiel Satellitendaten, Navigation oder Patente, um sie für Ihre Innovation etwa im Bereich Logistik, Maritime Anwendungsfelder, Robotics, Telekommunikation, Material- oder Landwirtschaft einzubringen. Hier geht der Raumfahrtbezug weit über die klassischen Satelliten oder Rocket Science hinaus. Inge begleitet Startup-Teams dabei, ihre Produkte bis zur Marktreife zu finalisieren, den Markteintritt zu gestalten, Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen und parallel das Wachstum des jungen Unternehmens zu begleiten.
ESA BIC in Bremen
Seinen Ursprung fand der Raumfahrtinkubator ESA BIC Northern Germany 2019 in Bremen. Wie der Titel verrät, werden hier nicht nur Startups aus dem kleinsten Bundesland, sondern aus dem ganzen Norden Deutschlands angesprochen. „Bremen ist der zentrale Standort des Programms. Es wirkt aber in die komplette norddeutsche Region“, erklärt Inge. Bremen ist einer der renommierten Luft- und Raumfahrtstandorte in Europa. Aviaspace Bremen e. V. ist ein Netzwerk engagierter Unternehmen und anwendungsorientierter Forschungsinstitute in Bremen und Umgebung und fungiert als regionaler Fachverband der Branche. Er setzt die Strategie im Bereich der Luft- und Raumfahrt des Landes Bremen um. Mit dem Starthaus als zentraler Anlaufstelle für Gründungen und Startups sowie Aviaspace gibt es hier zwei starke Akteure, die für Startups eine fruchtbare Infrastruktur geschaffen haben. So ist in den letzten Jahren eine engagierte, gut vernetzte und offene Community entstanden. „Das Schöne in Bremen ist, dass man sich als Startup recht schnell zurechtfindet, schnell die richtigen Ansprechpartner mit coolen Netzwerkevents findet und sich nicht nur fachlich, sondern auch menschlich gut aufgehoben fühlt“, erzählt René Alejandro Cartaya von Blue Orbit Space Systems. Sie sind als internationales Team nun seit knapp einem Jahr im Raumfahrtinkubator in Bremen dabei.
„Durch das Dach der ESA haben wir eine enge Anbindung an die europäische Luft- und Raumfahrtstruktur, wie die Marktzugänge, das Marketing und die Expertise“, zeigt Inge auf. ESA ist die Abkürzung für die European Space Agency, die Europäische Weltraumorganisation, mit 22 Mitgliedsstaaten. Sie hat mehrere Inkubationszentren (auf Englisch Business Incubation Centres, kurz BIC) in Europa, vier davon in Deutschland.
Mehr als Raketen und Satelliten
Das Programm in Bremen ist aber nicht nur für Startups aus der Raumfahrt geeignet. „Wir sprechen mit dem Inkubator Menschen an, die ihre Ideen mit einem Bezug zur Luft- und Raumfahrt auf den Markt bringen wollen“, beschreibt Inge die Grundvoraussetzung. „Das können junge Unternehmen aus Branchen wie der Navigation, Erdbeobachtung, Sensortechnologie, Gesundheit, aber vor allem auch Nachhaltigkeit sein.“ Denn alles, was wir zukünftig im All oder auf anderen Planeten bräuchten, könnte uns auch heute schon auf der Erde nachhaltiger leben lassen. „Themen wie vertical farming, also Landwirtschaft auf wenigen Quadratmetern und dafür auf mehreren Etagen, ist nicht nur im Weltraum von Bedeutung, sondern ist schon jetzt ein Ansatz, mit dem Lebensmittel ressourcenschonender hergestellt werden können.“ Auch Querschnittsthemen wie Künstliche Intelligenz, Datensicherheit, Prozessoptimierung und Quantentechnologie eignen sich für den Transfer in die Raumfahrtbranche.
Einfach für den Raumfahrtinkubator bewerben
Bewerben können sich interessierte Startups zu drei bestimmten Terminen pro Jahr. Den nächsten Termin zur Bewerbungsfrist findet ihr hier auf der Starthaus-Website. „Wir stehen von der Idee an bis zur Bewerbung beratend zur Seite“, verspricht Inge. „Deshalb gibt es ab ungefähr acht bis zehn Wochen vor jeder Deadline Trainings und Workshops, bei der wir die Interessierten optimal auf die Bewerbung vorbereiten.“ Neben den Tipps zur Bewerbung selbst, erhalten die Bewerber:innen alle Infos zum weiteren Ablauf des Programms und den Vorzügen.
Nach der Bewerbung findet ein zweistufiges Auswahlverfahren statt. Zum einen wird die Bewerbung formal geprüft und zum anderen soll das Startup durch einen Pitch sowie ein anschließendes Gespräch sich und die eigene Geschäftsidee vorstellen. „Das Tolle an dem Inkubator ist, dass wir die Startups ganz individuell für 12 bis 24 Monate unterstützen können“, schwärmt Inge. „Die Maßgabe ist: Was braucht das Startup? Und genau auf diese Anforderungen werden Trainings, Coaching, Einzelveranstaltungen und die Netzwerkaktivitäten maßgeschneidert.“ Alles nach Bedarf, da die Voraussetzungen und Branchen der Teilnehmenden sehr variieren und alle auf dem Weg zum Markteintritt bestmöglich begleitet werden sollen. Market Fit, Team Support, Finanzierung, Investorengespräche oder auch Lösen von technischen Herausforderungen sind nur einige Bereiche, in denen die Startups gecoacht werden. Neben dem individuellen fachlichen Input gibt es auch finanzielle Unterstützung im Inkubationsprogramm. Mit insgesamt 50.000 Euro unterstützen die ESA und Bremen die Startups.
Vom Starthaus individuell unterstützt
Seit ihrem ersten Tag im Starthaus Bremen & Bremerhaven begleitet Inge die Startups von ESA BIC Northern Germany. Sie ist Sparringspartnerin und begleitet sie individuell ganz nach den unterschiedlichen Bedarfen. „Ich bin Coachin für die einzelnen Teams, organisiere Workshops oder gebe auch selbst welche“, beschreibt Inge ihren abwechslungsreichen Arbeitsalltag. Die Startups erhalten Feedback in den unterschiedlichen Phasen. Auch durch die Berg- und Talfahrt der Forschung begleitet Inge sie eng. Ihre jahrelange Erfahrung ist hier ein großer Vorteil. „Es geht dabei nicht ausschließlich um die fachliche Weiterentwicklung oder Forschung. Auch Aufbau, Entwicklung und Stabilisierung der Teams ist eine wichtige Aufgabe, die mir unglaublich viel Spaß bereitet.“
Mittlerweile gibt es schon einige Alumni des Raumfahrtinkubators. Einige haben wir euch in diesem Artikel bereits vorgestellt. So hat das Team von Valispace zum Beispiel eine webbasierte Software entwickelt, welche die Zusammenarbeit zwischen Ingenieur:innen, internen Mitarbeiter:innen und externen Betrieben erleichtert. Planblue nutzt moderne Technologie und intelligente Software zur Kartierung des Meeresbodens. Diese Bildgebung kommt auch bei der Erderkundung durch Satelliten zum Einsatz. Auch in diesem Jahr konnte unter anderem das Startup Flucto erfolgreich den Inkubator beenden. Das Bremer Startup nutzt Standort- und Zeitdaten aus dem Weltraum, um die Installation von Offshore-Windparks einfacher, schneller und sicherer zu machen.
„Was mich begeistert, ist die Vielfalt der Teams, Technologien und Themen sowie dazu beitragen zu können, dass Startups hier ein Ecosystem haben, indem sie rasch wirksam werden, an Kraft gewinnen und sich gut entfalten können“, fasst Inge zusammen. Für wen ESA BIC Northern Germany genau das Richtige ist? „Für alle, die sich mit dem Gedanken tragen, ihre Entwicklungen selbst in die Welt zu bringen und den zu Mut dazu haben. Sie sollten möglichst früh Kontakte in die Szene knüpfen und sich im Starthaus über den Inkubator ESA BIC informieren und über die Möglichkeiten mit uns austauschen.“
Über ESA BIC Northern Germany
Das Inkubationszentrum (BIC) der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in Norddeutschland (ESA BIC Northern Germany) hat seinen Sitz gemeinsam mit dem Luft- und Raumfahrtverband des Landes Bremen AviaSpace Bremen im BITZ und Digital Hub Industrie, Bremens größte Innovations- und Technologiezentren für Hightech-Unternehmen und Startups. Das ESA BIC Northern Germany bringt neue Startup-Impulse in die Region und stärkt somit das Innovationscluster Luft- und Raumfahrt des Landes Bremen. Der AviaSpace Bremen unterstützt die Raumfahrt Incubatees mit seinem Netzwerk, der Öffentlichkeitsarbeit und gezielten Coachings nicht nur während der Inkubationszeit, sondern auch in der Phase der Antragsstellung und im Anschluss als Alumni. Das Starthaus ist die zentrale Anlaufstelle im Bremer Gründungsökosystem und unterstützt die Startups zu allen Fragestellungen der Geschäftsentwicklung sowie zur Finanzierung. Gemanagt wird das ESA BIC Northern Germany von der Anwendungszentrum GmbH Oberpfaffenhofen (AZO), einem internationalen Netzwerk- und Brandingunternehmen für europäische Raumfahrtprogramme.
Seit 2021 bietet das ESA BIC Northern Germany seinen Service auch an Startups mit Raumfahrtbezug in Schleswig-Holstein an. Das Technikzentrum Lübeck mit GATEWAY49, AviaSpace Bremen und AZO betreiben gemeinsam diese Erweiterung des ESA BIC Northern Germany. Es ist weiterhin geplant das ESA BIC Northern Germany auf die nördlichen Bundesländer Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin-Brandenburg auszuweiten.
Am Raumfahrtinkubator ESA BIC Northern Germany oder generell an einer Gründung interessiert? Schreibt uns gern eine Mail an info@starthaus-bremen.de oder ruft uns unter +49 (0)421 9600 372 an.
Erfolgsgeschichten
„Wenn ich Raketentreibstoff in einen VW-Käfer gieße, geht er kaputt“, sagt Professor Dr. Christian Horneber. Damit meint der Investment-Experte, dass Venture Capital im Vergleich der verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten wohl der stärkste Booster ist. Doch nicht für jedes Startup ist es geeignet.
Zum ArtikelDas Bremer Startup Valispace, gegründet von Marco Witzmann, Louise Lindblad und Simon Vanden Bussche, wurde vom amerikanisch-australischen Softwareunternehmen Altium übernommen. Die Kollaborationsplattform für Ingenieur:innen hat durch den erfolgreichen Exit das Potenzial, weltweit zu wachsen.
Zum ArtikelJulija Storz hat mit EINA Circle eine Plattform geschaffen, die Frauen untereinander vernetzt und Wissen zu weiblicher Gesundheit und Selbstfürsorge vermittelt. In Bremen fand sie mit dem Starthaus Bremen und Bremerhaven die nötige Unterstützung und ein lebendiges Netzwerk.
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