Prävention statt Intervention in Unternehmen
ErfolgsgeschichtenWie die Fabrik der Gesundheit das betriebliche Gesundheitsmanagement neu erfindet
Eine Arbeitskultur, die ihre Mitarbeitenden krank macht. Ein System, das toxische Dynamiken fördert und ein Miteinander nicht zulässt. Frustrierte und unmotivierte Mitarbeitende, ein Unternehmen, das in sich zu bröckeln beginnt. Genau so hat Özden Ohlsen es in verschiedenen Branchen bereits gesehen und miterlebt. Mit ihrer Fabrik der Gesundheit will sie diesen Kreislauf aufbrechen und Hilfe zur Selbsthilfe geben.
Özden Ohlsen ist in der Türkei aufgewachsen, kam im Alter von elf Jahren nach Stuhr und zog mit 18 Jahren nach Bremen. Sie brach eine Ausbildung zur Krankenschwester kurz vor dem Examen ab, schloss dann aber eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin ab. Mit 21 Jahren erkrankte sie schwer und kam in eine psychiatrische Klinik. „Nach erfolgreicher Therapie wollte ich mein Leben neu strukturieren und es wieder selbst in die Hand nehmen“, erinnert sich Özden. Die Antwort eines Oberarztes: „Mit deiner Historie wirst du nie eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren.“ Ein Niederschlag für eine junge Frau, die große Pläne hatte. Heute sagt sie stolz: „17 Jahre und drei Gründungen später habe ich es nicht nur allen anderen, sondern auch mir bewiesen, dass ich das geschafft habe, was mir damals abgesprochen wurde.“ Eine Erfahrung, die sie in ihrer Autobiografie „Station 61“ verarbeitet und veröffentlicht.
Der Weg zur Gesundheit
In den Jahren nach ihrer Erkrankung, hat Özden sich zur systemischen Beraterin, Kurzzeit- und Familientherapeutin ausbilden lassen und unter anderem im Jugendamt sowie selbst in einer Psychiatrie gearbeitet. In verschiedenen Stationen hat sie gesehen, dass einerseits bestimmte Unternehmenskulturen ihre Belegschaft demotivieren oder teilweise krank machen. Andererseits bringen Mitarbeitende auch ihre eigenen persönlichen Herausforderungen mit auf die Arbeit, was sich negativ auf die Konzentration und Leistung auswirkt. „Für mich war klar, dass es einen Weg daraus geben muss“, erzählt die 38-Jährige.
Den finalen Anstoß zur Gründung der Fabrik der Gesundheit gab die Coronapandemie. „Ich merkte, wie schlecht es mir dabei ging, zu sehen, dass die Gesellschaft in einer kollektiven Lethargie erstarrt war“, erinnert sie sich. „Ich erstellte eine Excel-Tabelle mit verschiedenen Beratungsangeboten, die anderen dabei helfen sollte, genau DIE Unterstützung zu erhalten, die sie brauchen.“ Geprägt durch ihre Ausbildung und Erfahrung verfolgt sie dabei einen systemisch-lösungsorientierten Ansatz und nach dem Salutogenese-Modell von Antonovsky. Die Leitfrage ist stets: „Was kann ich heute für mich tun, um mehr Selbstverantwortung und Selbstfürsorge in meinen Arbeitsalltag beziehungsweise Lebenszeit zu integrieren?“
Der steinige Gründungsweg
Im April 2022 gründete Özden die Fabrik der Gesundheit. Der Weg dahin war aber alles andere als leicht. Wie viele Gründer:innen, war die Vorbereitung geprägt durch Hochs und Tiefs und fand neben einer Vollzeittätigkeit als Familienberaterin und Stadtteilentwicklerin statt. Nebenbei engagierte sie sich ehrenamtlich unter anderem als Regionalsprecherin der Deutschen Gesellschaft für systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) Bremen und Oldenburg und als Vorstandsmitglied im Lions Club Bremer Westen. „Dazu kam noch die Scheidung von meiner Exfrau und den oftmals verbundenen finanziellen Schwierigkeiten und so war das Chaos perfekt“, resümiert die Unternehmerin heute. „Ich dachte mir, gerade ICH müsste es doch besser wissen. Die, die ein Unternehmen zur Gesundheit gründet und die Anzeichen von mentalen Erkrankungen eigentlich kennt. Und trotzdem war auch ich in dieser Phase Burnout-gefährdet.“
Aus alldem hat sie viel gelernt und einen wichtigen Tipp für Gründer:innen parat: „Schaut zu Beginn auf eure Eckpfeiler: Wie sieht es bei euch mit
Finanzen, der Familie und eurem eigenen Energiehaushalt aus? Plant immer zusätzliche Ressourcen ein und holt euch Unterstützung oder fragt nach Ratschlägen.“ Auch sie holte sich Unterstützung, unter anderem im Starthaus Bremen und Bremerhaven bei einer Starthelferin. Sie wurde zu Themen wie der Finanzierung, dem Businessplan, aber auch zu Veranstaltungsangeboten beraten. „Ich bin sehr dankbar für die tatkräftige Unterstützung in allen Themen und Herausforderungen“, sagt Özden heute.
Wir müssen von einer Fehlerkultur hin zu einer Lernkultur.
Zielgruppe: Gen Z
Mittlerweile ist die Fabrik der Gesundheit seit zwei Jahren aktiv und betreut Unternehmen auf dem Weg in die Gesundheit. Interessierte Unternehmen melden sich und erhalten im ersten Step eine Bedarfsanalyse im Betrieb selbst. „Neben der Anzahl der Kündigungen, dem Krankheitsstand und den generellen Problemen im Unternehmen, fragen wir auch, was bereits jetzt schon alles Tolles für die Mitarbeitenden geleistet wird. Denn die meisten versuchen ja, sich gut aufzustellen“, weiß Özden. „Wir arbeiten insbesondere mit mittelständischen Tech-Unternehmen der Z-Generation zusammen.“ Kommt ein Auftrag zustande, wird die gesamte Belegschaft informiert und einbezogen. Es gibt eine kostenfreie Telefonberatung mit einer Expertin oder einem Experten, eine sogenannte „Heldenberatung“. Diese wird aktuell in zwölf Sprachen angeboten. „Unsere Heldenberatung nehmen erfahrungsgemäß 40 Prozent der Mitarbeitenden in Anspruch, jede und jeder zwischen vier und sechs Stunden im Jahr“, erzählt sie weiter.
Die Fabrik der Gesundheit arbeitet außerdem mit der App BeCoach, die eine Kommunikation zwischen Mitarbeitenden und Helden erleichtert und zum Beispiel die Erstellung eines Wochenplans ermöglicht.
Lieber präventiv handeln als ein Pflaster auf die Wunde kleben
Mittlerweile gibt es 19 Helden, die Teil der Fabrik der Gesundheit sind: Ärzte, Psychotherapeut:innen, systemische Berater:innen, Finanzberater:innen (für private Finanzprobleme), Ernährungsberater:innen, Kunsttherapeut:innen, Fitnesstrainer:innen und Raumausstatter:innen. Eine von ihnen ist Dr. med. Burcu Gürbüz.
Sie ist selbst im Alter von acht Jahren aus der Türkei nach Bremen gezogen, hat erst Zahn- und anschließend Humanmedizin studiert. Nach vier Jahren Berufserfahrung in einem Berliner Krankenhaus, ist sie seit anderthalb Jahren in einer Hausarztpraxis in Berlin angestellt. Ab April 2024 ist sie zudem offizieller Teil der Fabrik der Gesundheit. „Schon lange ist es mir ein Anliegen, Patientinnen und Patienten nicht erst zu ‚verarzten‘, wenn die Krankheit so groß ist, dass sie ins Krankenhaus müssen“, erzählt Burcu. „Deshalb bin ich in die Hausarztpraxis gewechselt und engagiere ich mich bei der Fabrik der Gesundheit. Denn mein Mantra ist: Prävention statt Intervention!“
In ihrem Job behandelt Burcu größtenteils mit Menschen, die viel arbeiten. Hauptproblem ist die mentale Gesundheit. „Wenn wir hier früh genug gesunde Routinen einplanen, können wir bereits bestehende Symptome wie Schlafstörungen und Erschöpfungszustände mindern oder Krankheiten wie Burnout sogar abwehren.“ Was sie ihren Patientinnen und Patienten empfiehlt: eine gesunde Schlafhygiene, regelmäßige Bewegung, eine gesunde Ernährung, aber auch eine ergonomische Arbeitshaltung, eine 4-Tage-Woche und aktive Pausen. „Vieles davon wissen wir, nur müssen wir Routinen entwickeln, die uns diese gesunden Säulen leichter in unseren Alltag einbauen lassen. Morgenroutinen wie kaltes Duschen, Meditation oder Journaling steigern die eigene mentale Gesundheit.
Was bedeutet „Gesundheit“?
In der Fabrik der Gesundheit wird der Begriff der „Gesundheit“ als Kontinuum verstanden. Bedeutet, es gibt nicht „gesund“ und „nicht-gesund“. Vielmehr wir anhand von 13 Kategorien aufgezeigt, welche positiven und negativen Einflüsse auf den Menschen wirken. Dazu zählen zum Beispiel Schlaf, Dankbarkeit, Arbeit, Familie, Freundschaft und Hobbies. Ist die Person mit allen Bereichen im Einklang, entspricht das einem Energiehaushalt von 100 Prozent. Konflikte und Herausforderungen in den verschiedenen Kategorien mindern die Energie. Auch dieses sogenannte E=10 Modell nach Antonovsky entspricht dem systemisch-lösungsfokussierten Beratungsansatz. Der Mensch soll dabei raus aus der sogenannten Opferrolle und durch Selbstverantwortung und Selbstvertrauen das eigene Handeln und die eigene Gesundheit bestimmen.
Ziele der Fabrik der Gesundheit
„Uns ist wichtig, dass die Unternehmen verstehen, dass mental und physisch gesunde Mitarbeitende ihnen nicht nur Zeit und Geld sparen, sondern sich das Arbeitsklima verbessert und die Menschen einfach zufriedener sind und es somit die Mitarbeitenden nachhaltig bindet“, so Özden Ohlsen. In diesem Jahr will Özden es mit ihrem Team schaffen, dass ihre Leistungen von den Krankenkassen unterstützt werden. So könnten sich noch mehr Unternehmen auf den Weg machen und mit Hilfe der Fabrik der Gesundheit sich präventiv um ihre Belegschaft und das Arbeitsklima zu kümmern.
Ein Aufruf der Fabrik der Gesundheit:
„Als Startup benötigen wir Unterstützung in den Bereichen Vertriebs- und Marketingstrategie. Wir würden uns freuen, wenn ein Unternehmen bereit wäre, uns zwei Stunden im Monat mit fachlichem Rat zur Seite zu stehen. Ihr könnt uns gern eine E-Mail an info@fabrik-der-gesundheit.de senden. Wir bedanken uns im Voraus für eure Hilfe.“
Wollt ihr ein Unternehmen gründen, euer Business sicher starten oder weiter wachsen? Dann schreibt uns gern eine Nachricht über unser Kontaktformular, wenn ihr Fragen zu eurer Gründung(sidee) habt. Wir haben die Antworten.
Erfolgsgeschichten
„Wenn ich Raketentreibstoff in einen VW-Käfer gieße, geht er kaputt“, sagt Professor Dr. Christian Horneber. Damit meint der Investment-Experte, dass Venture Capital im Vergleich der verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten wohl der stärkste Booster ist. Doch nicht für jedes Startup ist es geeignet.
Zum ArtikelNeighbourshrooms verbindet innovative Pilzzucht mit einer nachhaltigen Lebensweise und gesellschaftlicher Verantwortung. Was als persönliche Leidenschaft begann, ist heute ein Beispiel dafür, wie Unternehmertum, Bildung und Umweltschutz gewinnbringend zusammenarbeiten können.
Zum ArtikelWenn ein geliebtes Haustier stirbt, fühlen sich deren Besitzer oft alleingelassen mit den überwältigenden Entscheidungen und vor allem mit der tiefen Trauer um ihren langjährigen Begleiter. Helfen möchte Sonja Rennhack mit der Gründung von „Küstenbestatter – Tierabschied mit Herz“ in Bremerhaven.
Zum Artikel bei der BIS Bremerhaven