„Wir wünschen uns, dass sich das Thema Nachhaltigkeit in der Gesellschaft breit etabliert“
Starthaus WomenDie Gründerinnen von Henni bringen verschiedene Aspekte der nachhaltigen Mode unter ein Dach
Am Thema Nachhaltigkeit kommt heutzutage niemand mehr vorbei. Doch wie kann man diese in den eigenen Alltag integrieren und wo soll man überhaupt anfangen? Die drei Gründerinnen vom Concept Store HENNI im Bremer Viertel beschäftigen sich schon lange mit Nachhaltigkeit in der Mode – und möchten dies der Allgemeinheit zugänglicher machen.
Wer im Bremer Stadtteil Viertel spazieren geht und die Augen offenhält, kommt an einer ganzen Reihe kleiner, inhabergeführter, Geschäfte vorbei. Zu diesen zählt auch HENNI am Sielwall – das mit seinem geschmackvoll eingerichteten Schaufenster neugierig auf mehr macht. Und wer dieser Neugierde folgt und den Laden betritt, wird mit Sicherheit von mindestens einer der drei Inhaberinnen mit einer strahlenden Begrüßung und viel Wissen rund um nachhaltige Mode belohnt.
Sina Simon, Susanne Kornatz und Kimberly Chow verkaufen hauptsächlich Mode und Accessoires für Frauen. Dabei setzen die drei Gründerinnen von HENNI zu hundert Prozent auf Nachhaltigkeit.
Entstanden ist Henni Anfang 2022 durch eine Verschmelzung von zwei nachhaltigen Labels: Sina Simons „ocean & soil“, das auf plastikfreie, handgemachte Produkte setzt, und Susanne Kornatz´ und Kimberly Chows Second-Hand-Label „SEAMSfine“, das mit hochwertiger und zeitloser Mode aus zweiter Hand die Menschen dazu bringen möchte, Kleidung wiederzuverwerten.
Nachhaltige Mode aus natürlichen Materialien
Die Idee, Kleidung aus natürlichen Materialien herzustellen und auf Plastik zu verzichten, kam Sina Simon bereits während des Studiums. „Ich habe Marine-Geowissenschaften studiert und mich viel mit dem Thema Plastik im Meer auseinandergesetzt und welche Auswirkungen dies auf die Natur hat. Ich wollte keine Kleidung aus Plastik mehr tragen und habe angefangen, meine eigenen Kleider zu nähen“, erinnert sie sich an ihre Anfänge. Nach und nach baten sie auch Bekannte darum, für sie zu nähen und langsam keimte der Gedanke auf, mehr aus dieser kleinen Nebentätigkeit zu machen.
Im Sommer 2019 eröffnete Sina Simon dann im Bremer Stadtteil Findorff ihr erstes Geschäft ocean & soil, in dem sie neben ihrer eigenen Kleidung aus natürlichen Materialien auch Schmuck, Kosmetik und Pflanzen von anderen Hersteller:innen vertreibt. „Alle Produkte, die ich bei ocean & soil verkaufe, haben die gleichen Werte wie mein eigenes Modelabel“, versichert Simon. „Alles ist zu hundert Prozent plastikfrei und wird aus Naturmaterialien produziert und auch die Verpackungen sind alle plastikfrei.“
Dank zahlreicher Kooperationen, Untervermietungen ihrer Ladenfläche und ihrer eigenen Flexibilität und Kreativität etablierte sich Sina Simon mit ocean & soil in Findorff trotz der anhaltenden Coronakrise. Ende 2020 erhielt sie jedoch ein Angebot, das den weiteren Verlauf ihrer beruflichen Laufbahn beeinflussen sollte. „Im November 2020 bekam ich die Möglichkeit, mit meinem Sortiment bei ekofair in der Obernstraße mitzumachen. Das ging alles sehr schnell“, erzählt sie. Beim ekofair handelte es sich um das erste Kaufhaus für nachhaltige, faire und regionale Produkte Bremens, das 2020 den Concept-Store-Wettbewerb der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH gewann und ein Jahr lang mietfrei eine Ladenfläche in der Bremer Innenstadt beziehen konnte. Auf rund 600 Quadratmetern boten 18 Einzelhandelspartner:innen ihre nachhaltig gehandelten und teils regional produzierten Produkte. Unter ihnen Sina Simon … und Susanne Kornatz.
Hochwertige Produkte aus zweiter Hand
„Als ich die Anfrage vom ekofair erhielt, hatte ich eigentlich noch gar nicht gegründet“, gibt Susanne Kornatz mit einem Schmunzeln zu. „Es war aber eine riesengroße Chance für mich und dementsprechend habe ich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein Einzelunternehmen hochgezogen.“
Susanne Kornatz ist schon lange in der Modeindustrie aktiv. Seit 2010 ist sie im Einzelhandel tätig, hat in der Fast Fashion Industrie gelernt und jahrelang gearbeitet. Doch nach knapp zehn Jahren war für Susanne Kornatz klar, dass sie sich mit nachhaltigeren Modeansätzen beschäftigen wollte. Die Idee, ein Second-Hand-Geschäft zu gründen, entwickelte sich langsam.
2019 kreuzten sich dann ihre und Kimberly Chows berufliche Wege. „Es hat sofort zwischen uns gefunkt. Wir teilen gleiche Visionen, den gleichen Ansatz von Nachhaltigkeit“, erinnert sich Kornatz begeistert. Im Sommer 2020 war für sie der Punkt erreicht, wo sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagen und ein eigenes Second-Hand-Label gründen wollte. Sie schlug Chow vor, das Business zusammen mit ihr aufzuziehen, doch Nachhaltigkeitsentwicklerin war zu dem Zeitpunkt für diese Herausforderung noch nicht bereit.
So stürzte sich Kornatz erst einmal allein in das Abenteuer und präsentierte ihr Second-Hand-Label „SEAMSfine“ im ekofair. Ein Segen, denn so konnte sie herausfinden, ob ihr Konzept bei den Kundinnen und Kunden überhaupt ankommen würde. „Für mich war von vorneherein klar: Wenn ich einen Second-Hand-Laden eröffne, dann lege ich sehr großen Wert auf die Warenpräsentation und -pflege“, so die Gründerin. „Ich möchte Produkte verkaufen, die man direkt vom Bügel herunternehmen und anziehen kann, ohne sie waschen oder reparieren zu müssen. Die Sachen müssen ordentlich an den Kleiderständern hängen. Es ist nicht das, was man sich unter einem klassischen Second-Hand-Laden vorstellt.“ Das Konzept ging im ekofair auf und die Kundinnen und Kunden waren von der Qualität und Präsentation der Kleidung überzeugt.
Drei Frauen, zwei Labels, eine Vision
Ermutigt durch den Erfolg, stieg Kimberly Chow im Sommer 2021 bei SEAMSfine mit ein. In der Zwischenzeit lernten sich auch Sina Simon und Susanne Kornatz kennen. „Mit Sina hat es genauso gefunkt wie vorher mit Kimberly“, berichtet Kornatz. „Wir haben die gleiche Vision, die gleiche Leidenschaft für die Selbstständigkeit und die gleichen Ansätze, wie man sich gegenseitig unterstützt, wie man Stärken nutzt und sie zusammenbringt.“
Als bekannt wurde, dass das ekofair seine Türen schließen würde, entschieden sich die drei Frauen, den Weg gemeinsam weiterzugehen. Sie mieteten eine Ladenfläche im Bremer Viertel und verbanden ihre beiden Konzepte unter dem Namen „HENNI“. Eine Verbindung, die funktioniert. „Bei uns schlägt man mehrere Fliegen mit einer Klappe“, beschreibt Simon die Vorteile von HENNI. „Hier shoppt man nicht nur Second-Hand, sondern findet auch noch andere Dinge, zum Beispiel Geschenke, Kosmetik, Schmuck oder Schuhe. Es gibt immer etwas Neues zu entdecken.“
Eine vielfältige Palette an besonderen Produkten erwartet die Käufer:innen. Und noch etwas: Im hinteren Ladenteil kann man Sina Simon und ihren Schneiderinnen bei der Produktion ihrer Kollektionen zusehen. Auch kleinere, individuelle Wünsche der Kundinnen und Kunden berücksichtigt sie dabei gern. Interessierte Ladenbesucher:innen können sich bei den Inhaberinnen von HENNI ganz transparent über Materialien, Produktion und nachhaltige Mode informieren. „Wir bringen sehr viel Erfahrung mit,“ erklärt Kornatz. „Sina informiert sich über die Materialien und Zutaten, die sie einkauft und kennt sich hervorragend mit ihren Produkten aus. Kimberly und ich haben Erfahrung im Modebereich und beraten gerne, wenn es um Formen, Farben und Figuren geht. Uns ist es wichtig, dass unsere Kundinnen und Kunden glücklich aus unserem Laden gehen.“
Auch in Sachen Nachhaltigkeit teilen die drei Gründerinnen gerne ihre Erfahrungen und stehen mit Rat zur Seite. „Ich habe manchmal den Eindruck, dass das Thema Nachhaltigkeit für viele Menschen wie ein großer Berg ist und sie nicht wissen, wo sie anfangen können“, so Kornatz. „Wenn hier jemand reinkommt, der oder die sich mit Nachhaltigkeit noch nicht gut auskennt, dann stehen wir der Person gerne für ein Gespräch zur Verfügung, helfen weiter, informieren und inspirieren. Wir zeigen kleine Möglichkeiten auf, wie man im Alltag mit der Nachhaltigkeit anfangen kann. Unser Wunsch ist es, dass sich das Thema Nachhaltigkeit in der Gesellschaft breit etabliert.“
Unterstützung durch das Starthaus Bremen & Bremerhaven
Genau wie bei der Nachhaltigkeit kann der Weg in die Selbstständigkeit gerade am Anfang wie ein großer Berg erscheinen. So empfand es Sina Simon, als sie sich nach ihrem Studium entschied, ihr eigenes Modelabel zu gründen. Unterstützung beim Erklimmen dieses Berges bekam sie dabei vom Starthaus Bremen & Bremerhaven. „Ich habe von 2018 bis 2019 am Coachingprogramm des Starthauses teilgenommen und es war für mich ein Durchbruch“, erinnert sich die junge Frau. „Einerseits das ganze Wissen zu betriebswirtschaftlichen Themen, das ich durch die Coaches und Mentorinnen und Mentoren vermittelt bekommen habe, die Workshops, an denen ich teilnehmen durfte, andererseits das Netzwerk aus anderen Gründerinnen und Gründern, das ich mir während des Coachingprogramms aufbauen konnte.“
Darüber hinaus erhielt Sina Simon Ende 2021 einen Mikrokredit vom Starthaus, den sie primär für ihren Anteil am HENNI Store sowie für den Aufbau des Online-Shops, die Produktion ihrer Kollektion und für Marketingmaßnahmen nutzte. „Gerade in diesen zwei Coronajahren war es sehr schwer für mich, etwas zurücklegen zu können. Von daher kam dieser finanzielle Zuschuss vom Starthaus zur richtigen Zeit. Ohne diesen Mikrokredit wäre HENNI für mich nicht möglich gewesen“, bekennt die Gründerin.
Auch Chow und Kornatz suchten sich Unterstützung beim Starthaus. Aufgrund ihrer sehr eiligen Gründung hatte Kornatz am Anfang mit vielen Unsicherheiten zu kämpfen. „Kimberly und ich nehmen noch bis September 2022 am Coachingprogramm teil. Die Kurse helfen uns sehr und geben uns viel Input“, versichert Kornatz. Doch auch für sie ist der Kontakt zu den anderen Gründerinnen und Gründern aus dem Coachingprogramm ein besonderer Ansporn. „Wenn man gründet, steht man oft allein da. Und wenn man dann dieses Netzwerk aus dem Coachingprogramm hat, wo so viele Leute hinter einem stehen, die einen vorwärtsbringen, dann ist das wahnsinnig viel wert. Auch die ein oder andere Kooperation ist durch dieses Netzwerk entstanden.“
„Bremen ist eine gute Freundin geworden“
In Bremen sei es besonders leicht, Kontakte zu Gleichgesinnten zu knüpfen, sind sich die Gründerinnen einig. Durch das Starthaus und das ekofair konnten die drei Frauen sich ein umfangreiches Netzwerk aufbauen, von anderen Gründenden und Unternehmer:innen lernen, neue Aspekte und Perspektiven entdecken und mit anderen Selbstständigen zusammenarbeiten. „Bremen bietet einen Zusammenhalt, den es in anderen Städten zwischen Unternehmer:innen nicht so gibt“, ist sich Sina Simon sicher. „Bremen ist eine gute Freundin geworden“, schließt die gebürtige Kielerin lächelnd ab.
An einer Gründung interessiert? Schreibt uns gern eine Mail an info@starthaus-bremen.de oder ruft uns unter +49 (0)421 9600 372 an, wenn ihr Fragen zu eurer Gründung(sidee) habt. Wir haben die Antworten.
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