Hohes Haus
Starthaus Beratunghoch hinaus
Es ist ein einmaliges Experiment für Bremen: Ein Wohnungsunternehmen gibt ein Hochhaus in die Hand von Kreativen, Engagierten und Start-ups – wir haben uns mit den beiden Visionären hinter der Idee getroffen.
Das Creative Hub im ehemaligen Bremer Bundeswehrhochhaus ist ein Paradies auf Zeit für Kreative, sozial Engagierte und Start-ups. Rund um den Betonkoloss belebt sich ein ganzes Quartier.
„Das hier ist ein riesiger Spielplatz für Erwachsene“ – so beschreibt Marc Fucke das ehemalige Bundeswehrhochhaus in der Bremer Innenstadt, nur zwei Stationen vom Hauptbahnhof entfernt. Das ehemalige Kreiswehrersatzamt mit seinen 15 Etagen ragt weit über die umgebenden Häuser empor, ein Monolith aus Beton. 1968 wurde es eröffnet, später stand es lange Zeit leer.
Fucke ist der Herr der Türen – ihn und seinen Geschäftspartner Hachem Gharbi begleitet stets ein dicker Schlüsselbund, der eine der Hunderten von Türen des Hochhauses öffnet.
Für eine Öffnung stehen die beiden im konkreten wie auch im übertragenen Sinn: Dank ihrer Initiative wurde aus dem grauen Koloss innerhalb kürzester Zeit ein kreativer und sozialer Hotspot Bremens. In den vergangenen sechs Monaten richteten sich hier 78 Vereine, Initiativen, Gruppen, Start-ups und freie Kunstschaffende ein.
Durch Zufall zu einem Hochhaus gekommen
„Das war alles ursprünglich viel kleiner gedacht“, erläutern Gharbi und Fucke bescheiden – aber mit erkennbarem Stolz – bei einem Kaffee im Erdgeschoss des Hauses, wo vor kurzem das Kulturcafé „Gusour“ eröffnet hat.
Der 33-jährige Gharbi ist ehemaliger Unternehmensberater, der sich sozialen Projekten verschrieben hat. Sein langjähriger Freund Fucke arbeitete ebenfalls im Projektmanagement sozialer Initiativen. Gemeinsam haben sie „visionskultur“ gegründet, deren erstes Projekt das Bundeswehrhochhaus ist. „Wir hatten die Idee eines Creative Hubs für Bremen. Das Hochhaus ist uns da mehr oder weniger zugefallen, es passte perfekt“, so Gharbi.
Creative Hub – so bezeichnen die beiden das, was in den unteren sechs Stockwerken des Wolkenkratzers geschieht. Mehr dürfen es aus Brandschutzgründen nicht sein. Hier proben Theatergruppen, Sportkurse trainieren, es treffen sich Integrations- und Migrationsvereine, Textilateliers schneidern und einige Start-ups tüfteln an frischen Ideen. Menschen aus den unterschiedlichsten Ecken der Stadt, des Landes und der Welt kommen an einem Ort zusammen, um Ideen zu leben und sich dabei zu unterstützen.
Kreative werten Stadtbild auf
Das hilft nicht nur den 78 Gruppen und Initiativen im Projekt, es sorgt auch für eine Belebung des gesamten Quartiers rund um das Hochhaus. „Wir wollen ein neues niedrigschwelliges Zentrum schaffen, dynamisch, schnell, kurzweilig. Das belebt den Standort und steigert seine Attraktivität“, erläutert Fucke. „Kreative geben Impulse, schaffen eine neue Stadtkultur und ziehen andere Kreative und Start-ups an. So etwas braucht Bremen.“
Alle tragen ihren Teil bei
Das Besondere am Hub liegt nicht nur in der bunten Community: Die Räume im Hochhaus sind für die Initiativen kostenfrei, sie entrichten lediglich einen Obolus als Beitrag für die Mitgliedschaft im Hub. Auch deshalb gab es einen riesigen Ansturm, als die beiden Unternehmer im Sommer 2019 das Bewerbungsverfahren starteten.
Eine andere Art von Miete muss jeder Bewohner und jede Bewohnerin dennoch beitragen: Vor dem Einzug und dem offiziellen Start im Januar 2020 haben sich alle verpflichtet, einen Teil ihrer Zeit für die Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Künstlerinnen und Künstler verzieren die bisher eher trostlosen Flure, ein Programmierer gibt Tipps für eine eigene Webseite, ein Fotograf macht Fotos für die einzelnen Projekte, eine Künstlerin organisiert eine gemeinsame Ausstellung. Jeder macht, was er kann und hilft somit der Gemeinschaft.
Gewoba stellt Gebäude
Die kostenlosen Räumlichkeiten verdankt das Creative Hub der Gewoba, der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Bremens. Die hatte das Gebäude im März 2019 erworben mit dem Ziel, es zu sanieren und 180 Wohnungen einzurichten. Um die Zeit bis zum geplanten Baubeginn 2021 nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, entstand die Idee einer Zwischennutzung:
„Ich bin sehr zufrieden mit der bisherigen Entwicklung, Auch die Gewoba geht mit diesem Konzept neue Wege und ich freue mich, dass es so gut angenommen wird. Die Kreativen bringen Leben in die Bude“, freut sich Hans-Hermann Schrader, Geschäftsbereichsleiter der Gewoba. Für die Zukunft kann er sich gut vorstellen, das Konzept für Gebäude in anderen Ortsteilen Bremens zu übernehmen. Neben der Gewoba unterstützt auch die Wirtschaftsförderung Bremen das Vorhaben und half mit Kontakten und der Organisation von Einrichtungsgegenständen weiter.
Auch Start-ups wollen hoch hinaus
Für die Start-ups im Haus sind die Räume ein Glücksfall. Sie haben ein Jahr Zeit, kostenlos an ihren Ideen zu tüfteln. Eines von ihnen ist Einfachsparen24. Das Unternehmen übernimmt, was vielen lästig ist: Die Suche und das Vergleichen von Verträgen, ob Gas, Strom, Internet, Wasser oder Versicherungen. Das Start-up richtet sich dabei sowohl an Hausverwaltungen als auch an Endkunden selbst und betreibt in Bremen einen eigenen Laden, um ins persönliche Gespräch mit einigen der deutschlandweit 11.000 Kundinnen und Kunden zu kommen.
Im Bundeswehrhochhaus haben sie sich einige Räume gemietet, in denen sie mit Freelancern zusammen die Technik hinter ihrer Webseite und ihrem Vergleichssystem optimieren wollen sowie an ihrer Geschäftsidee feilen. „Dieser Ort ist nicht nur finanziell für uns interessant“, sagt Gründer Akin Ogurol, „sondern vor allem auch durch sein Kooperationspotenzial. Wir können Tipps mitnehmen, können Ratschläge geben, uns mit anderen Start-ups austauschen.“
Das Dreierteam von Einfachsparen24 um Gründer Ogurol plant für die kommenden Monate zudem einige Start-up-Veranstaltungen im Haus. „Wir wollen etwas größeres auf die Beine stellen, mit coolen Speakern, etwas für die Szene“, sagt er. Und will so wieder etwas an die Community zurückgeben. Es wird nicht das letzte Event im Bundeswehrhochhaus sein – denn etwas auf die Beine stellen, das wollen sie alle und ein knappes Jahr haben sie dafür noch.
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