„If it’s not fun, it’s not sustainable!”
Social EntrepreneurshipIm Interview mit Adrian Sina Vollmer zur Organisationsentwicklung
Wie wichtig ist das Leitbild eines (sozialen) Unternehmen? Und wie entsteht es? Wir haben beim Organisationsentwickler Adrian Sina Vollmer nachgefragt und gleich noch Tipps für Social Entrepreneure erhalten.
Adrian Sina Vollmer ist Agent für SelbstOrganisationsEntwicklung und hat im März dieses Jahres den Workshop „Die eigene Unternehmung gestalten – von der Leitbildentwicklung zur Organisationsentwicklung“ bei uns im Social Impact Lab Bremen gehalten. Wir wollten ihn und seine Beweggründe näher kennenlernen. Warum ihn das, was er macht, erfüllt und was die Teilnehmenden seiner Workshops erwartet, lest ihr hier:
Starthaus: Lieber Adrian, bitte stelle dich und deine Tätigkeit einmal kurz vor:
Adrian: Ich arbeite seit 2015 als freiberuflicher Organisationsentwickler und Prozessbegleiter. In meinem beruflichen Wirken erlebe ich mich in erster Linie als Systemdenker, Transformations-Designer und Initiator von kollektiven Gewahrwerdungsprozessen.
Meine Auftraggebenden bringen in der Regel ein Bewusstsein für soziale und ökologische Fragestellungen mit und sind offen für „neuere“ Ansätze der Arbeitswelt wie „New Work“, agiles Management oder kollegiale Führung.
Warum machst du das, was du heute machst? Was erfüllt dich daran?
Ich wende mich seit meiner Jugend intensiv politischen, ökologischen und sozialen Fragestellungen zu. Seitdem durfte ich viele innovative Projekte, die „Gutes“ in die Welt bringen möchten, besuchen, mit aufbauen oder begleiten. Allerdings musste ich immer wieder feststellen, dass viele dieser Projekte ironischerweise an ihren Erfolgen scheiterten beziehungsweise an dem Umstand, dass ihre Erfolge sie daran hinderten, ihren eigenen, ideellen Ansprüchen gerecht zu werden. Diese Feststellung hat mich teilweise ernüchtert und ratlos zurückgelassen und mir die eine oder andere persönliche Krise beschert. Es drängten sich dabei sehr grundsätzliche Zweifel auf, die die Sinnhaftigkeit von zivilgesellschaftlichem Engagement, gemeinwohlorientiertem Wirtschaften oder auch Entwicklungszusammenarbeit in Frage stellten.
Glücklicherweise ist es mir gelungen, aus diesen Sinnkrisen schlussendlich ein bisschen weiser und gereifter hervorzutreten. Mein persönliches Verhältnis zu Krisen, Konflikten und sonstigen Spannungen hat sich dadurch im Laufe der Jahre immer mehr gewandelt: Heute betrachte ich diese nicht mehr als Problem, sondern als ein Einfallstor, um persönliche und organisationale Reifeprozesse zu durchleben. Gleichzeitig hat meine Neugier, dieser „Logik des Scheiterns“ auf den Grund zu gehen, mir auch auf intellektuellen Ebenen neue Erkenntnisse und Sichtweisen eröffnet, die meine Fähigkeiten zum „Vernetzten Denken“ befördert haben.
Wenn es mir heute als Organisationsentwickler oder Prozessbegleiter gelingt, andere Menschen darin zu unterstützen, ihre Problemsymptome in „kreative Spannungen“ zu transformieren, aus denen sie schließlich gestärkt hervor gehen, empfinde ich meine Arbeit als erfüllend.
Was verbindet dich mit Social Entrepreneurship beziehungsweise wie kam es zu dem Kontakt zum Social Impact Lab Bremen?
Ich komme selbst aus einer Unternehmerfamilie und sehe im Sozialunternehmertum ein großes transformatives Potenzial für diejenigen, die den Weg in die Existenzgründung wagen, als auch den sozialen Mehrwert für die Gesellschaften, in die sie hineinwirken. Der Kontakt zum Social Impact Lab Bremen kam über eine vertraute Kollegin von mir zustande, die inzwischen als Mitarbeiterin für das Social Impact Lab Bremen arbeitet.
Was ist der Inhalt deines Workshops? Was können Teilnehmende erwarten?
In meinem Workshop geht es um die Bedeutung und die Funktionen des Leitbildes für junge Unternehmen und Organisationen. Teilnehmende erhalten neben einer inhaltlichen Einführung in dieses Thema, Anregungen, wann, wie und warum sie sich mit dem Thema Leitbildentwicklung beschäftigen sollten.
Was findest du an deinem Workshop zum Thema Organisationsentwicklung besonders spannend?
Aus meiner Sicht ist die Leitbildentwicklung eine der aufregendsten und schönsten Wirkungsfelder von Organisationsentwicklung. Schließlich versucht das Leitbild die Frage nach dem „Warum“ zu beantworten. Mit anderen Worten: Das Leitbild ist im Grunde die eigens formulierte Daseinsberechtigung einer Organisation. Dieser Prozess ist in der Regel sehr dynamisch und kann einige Überraschungen bereithalten - vor allem dann, wenn die Leitbildentwicklung auf partizipative beziehungsweise ko-kreative Weise durchgeführt werden darf.
Besonders das Finden, Aushandeln und Ausformulieren der Vision einer Organisation entzieht sich dabei einer linearen Management-Logik. Hier ist vielmehr Geduld, Achtsamkeit und Fingerspitzengefühl gefragt. Es passiert nicht selten, dass die Vision aus einem scheinbaren „Nichts“ heraus erscheint. Plötzlich ist sie da! Eine solche Vision wirkt dann nicht nur nach außen besonders geschmeidig, sondern setzt auch im Inneren der Organisation enorme Kräfte frei.
Welche Empfehlung würdest du (gründenden) Social Entrepreneuren mit auf den Weg geben?
Zwei Dinge:
1. „If it’s not fun, it’s not sustainable!”
Ein Sozialunternehmertum, dass mehr Freude bereitet als das übliche Vorgehen nach „Schema F“, besitzt eine deutlich stärkere Wirksamkeit als die Überzeugungskraft einer moralischen Überlegenheit.
2. In meiner Wahrnehmung wird das Thema Selbstfürsorge von zu vielen Pionier:innen des Wandels unterschätzt!
Leider begegnen mir bei meiner Arbeit immer wieder überaus fähige Menschen, die viel Verantwortung tragen und wichtige Arbeit für unsere Gesellschaft leisten und dabei Raubbau an sich selbst betreiben. Transformative Prozesse erfordern viel Geduld und Durchhaltevermögen. Wir brauchen daher Social Entrepreneure, die einen langen Atem haben und aus einer Position der Stärke, Weitsicht und Fülle agieren können.
Wenn auch ihr eine Gründungsidee habt, die sozial oder ökologisch nachhaltig ist, und ihr etwas bewirken wollt, dann meldet euch gleich bei uns. Wir bieten mit unserem Programm Social Entrepreneur by Starthaus genau die Bausteine an, die ihr für euren Erfolg benötigt. Alle Informationen zu Social Entrepreneur by Starthaus findet ihr hier.
Erfolgsgeschichten
Brita Schemmann, Professorin an der Hochschule Bremen, spricht über die Studieninhalte, Herausforderungen und Visionen des Masterstudiengangs „Sustainable Business & Entrepreneurship“ und erklärt, warum wir mehr Menschen brauchen, die Veränderungen vorantreiben.
Zum ArtikelNeighbourshrooms verbindet innovative Pilzzucht mit einer nachhaltigen Lebensweise und gesellschaftlicher Verantwortung. Was als persönliche Leidenschaft begann, ist heute ein Beispiel dafür, wie Unternehmertum, Bildung und Umweltschutz gewinnbringend zusammenarbeiten können.
Zum ArtikelNach der Auflösung ihres ersten Unternehmens PARU GmbH standen Erik Ruge und Paul Kukolka vor der Entscheidung: Aufgeben oder neu anfangen? Sie entschieden sich für den Neuanfang und gründeten Casca Minga, ein Unternehmen, das koffeinhaltige Erfrischungsgetränke aus der Schale der Kaffeekirsche herstellt. Sie erzählen im Interview, wie sie aus Fehlern gelernt und mit frischer Energie einen zweiten Anlauf gewagt haben.
zum Artikel