11.6.2024 - Annekathrin Gut

Mit Know-how und Produktionserfahrung

Startups

Andreas und Michael Kleine sind Corporate Investors für Startups

Michael und Andreas Kleine
Michael und Andreas Kleine teilen ihre Erfahrungen im Corporate Investment.

Gute Ideen sorgen bei Andreas und Michael Kleine für Begeisterung. So wie das Startup, das mit einer innovativen Wärmebatterie umweltfreundlich Altbauten heizen wollte. „Das war das heißeste Ding überhaupt“, sagt Andreas Kleine. Eine perfekte Lösung für die Energiewende. Die beiden Unternehmer beteiligten sich 2019 an der Gründung des Startups.

Ein paar Jahre zuvor war es eine neue Art von Metallschäumen. Die Universität des Saarlandes suchte ein Gründungsteam, das die Innovation industriell weiterentwickelt und vermarktet. Die Brüder mit ihrem Unternehmen Mac Panther GmbH waren dafür die richtigen Partner. „Wir haben einen Beitrag in das Projekt investiert, der unser Kerngeschäft nicht gefährdet, und 2017 eine eigene Firma, die Mac Panther Materials, gegründet“, erzählt Andreas Kleine.

Bei beiden Investments haben Andreas und Michael Kleine durchwachsene Erfahrungen gesammelt – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Und dennoch: In Startups investieren wollen sie weiterhin.

Investoren aus dem Mittelstand

Mac Panther ist auf die Kaltumformung von Stahlteilen spezialisiert, „als ob wir Stahl wie Knetgummi bearbeiten“, beschreibt Michael Kleine den Vorgang. Ein großer Anteil des Umsatzes geht in die Bauindustrie, an Branchengrößen wie Bosch oder Hilti. „In der Nische sind wir Hidden Champions“, sagt der Wirtschaftsingenieur. „Wenn du ein Loch in die Wand bohrst, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Bohrer-Rohling von uns kommt.“ Ein weiteres wichtiges Standbein, so der 50-Jährige, sei der Bau von Sondermaschinen für den eigenen Bedarf sowie für Kundinnen und Kunden.

Mit 50 Leuten ist der Betrieb schlank aufgestellt, mit einer kleinen Verwaltung, in der jede:r vieles machen muss. Michael Kleine ist 2008 in das vom Vater gegründete Geschäft eingestiegen. Für Andreas Kleine, der als promovierter Physiker zuvor für ein Unternehmen der Röntgentechnik gearbeitet hatte, gab das Startup-Investment den Ausschlag für seinen Einstieg ins Familienbusiness.

Dass sie diversifizieren wollten, stand für beide von Anfang an fest. Das zusätzliche Standbein sollte das Geschäftsrisiko reduzieren, sie unabhängiger von der Bauwirtschaft als Hauptkunden machen und näher an die Endkundinnen und -kunden bringen. Mit Hilfe einer Mediation wurde die familiäre Zusammenarbeit sorgfältig vorbereitet.

Vorteil Produktionserfahrung und Backoffice

„Wir können nicht riesige Summen in ein Startup einbringen“, sagt Michael Kleine. „Es geht mehr darum, dass wir Know-how, unser Backoffice und Arbeitskraft hineingeben.“ Ihr großer Vorteil gegenüber manch anderen Investor:innen sei ihre Industrieerfahrung: „Wir wissen, wie eine Produktion geleitet wird. Wir können technisch unterstützen.“

Andreas Kleine ergänzt: „Wir haben das Backoffice. Das muss ein Startup nicht mehr aufbauen, sondern kann sich ums Forschen und Entwickeln, Produzieren und Vermarkten kümmern.“ Eine Werkstatt, Simulationsprogramme und nicht zuletzt Kontakte zur Bremer Bankenlandschaft und anderen Investor:innen seien weitere Pluspunkte.

Begleitung von der Konzeptidee an

Als Investoren sind Andreas und Michael Kleine an Produktideen interessiert, die sie von Anfang an begleiten können. So war es nicht nur bei der Ausgründung der Universität des Saarlandes, sondern auch bei der Idee mit den Wärmebatterien. Ein Gründer aus Bayern war auf die Metallschäume aufmerksam geworden und nahm Kontakt auf. Er habe eine Idee, für die er das Material in größeren Mengen bräuchte. Zu diesem Zeitpunkt gab es eine Konzeptidee, nun sollte ein Prototyp gebaut werden.

„Es ging darum, deutschlandweit privaten Haushalten den PV-Strom vom Dach zu nehmen und in Wärme zu speichern, um damit das Haus zu heizen“, sagt Andreas Kleine. „Richtig cool. Das verstehen die Leute.“ Die Kleines investierten in das Startup.

Idee scheitert am Team

„Letzten Endes ist diese wunderbare Idee an einem nicht funktionierenden Team gescheitert“, lautet Andreas Kleines Fazit. „Die Quintessenz ist jetzt: Für diese Firma ist ein Insolvenzantrag gestellt worden. Es tut uns immer noch in der Seele weh.“

Das größte Problem stellte aus Sicht von Andreas und Michael Kleine die Persönlichkeit des Startup-Erfinders und -Mitgründers dar.  Dieser war vor allem Einzelkämpfer, der das gesamte Wissen auf sich vereinte und Absprachen häufig nicht einhielt. Zeitpläne wurden verschleppt und Arbeiten als Freundschaftsdienste erledigt, bei denen es an Verbindlichkeit mangelte. Interessierte Investor:innen, auch aus Bremen, wurden abgeschreckt.

Selbstkritisch hätten sie sich gefragt, ob es an ihnen selbst lag. „Doch viele Beteiligte, die schon mit vielen Startups zu tun hatten, sagten: Das haben sie so noch nie erlebt“, erzählt Andreas Kleine. „Wir waren beratend tätig, doch der Gründer war beratungsresistent.“ Als im November der Erfinder verstarb, hatte keiner im Team das notwendige Know-how oder die Zeit, um das Projekt fortzusetzen.

Ein Köder für Startup-Ideen

Auch die Metallschäume haben bislang keinen durchschlagenden wirtschaftlichen Erfolg gebracht. „Es gab vor der Ausgründung viele Optionen und Interesse aus der Industrie. Doch nur weil eine spannende Industrie anklopft, heißt das nicht, dass die auch gleich kauft“, hat Andreas Kleine festgestellt. „Da sind Unis häufig zu weit weg vom Business.“

Das Uni-Gründungsteam hatte eine Richtung vorgegeben, die sich am Markt als nicht erfolgreich herausstellte: Zwar reduziert die Innovation die Herstellungskosten von Metallschäumen um die Hälfte. Doch im Vergleich zu konventionellen Materialien sind die Kosten im industriellen Maßstab immer noch deutlich zu hoch. Es dauere zudem Jahre, bis man zum Beispiel in der Automobilindustrie Fuß fasse. Hinzu kämen Normen und Vorgaben, so Andreas Kleine: „Die Ingenieure wollen klare Kennzahlen haben. Und das ist mit Metallschäumen nicht so einfach darzustellen.“

Michael Kleine sagt: „Wir mussten lernen, wo wir nicht ersetzbar sind.“ Besondere Vorteile hat das Material zum Beispiel für die Filtertechnologie. Andreas und Michael Kleine haben 2021 die Gesellschafter der Uni aus Mac Panther Materials herausgekauft und das Unternehmen mit der Schwestergesellschaft verschmolzen.

Inzwischen gibt es eine große Zahl von Anfragen für das Produkt, in großen Stückzahlen wird es aber bislang nicht produziert. Doch das Thema Metallschäume lockt Startups an. „Das ist ein bisschen wie ein Köder“, sagt Andreas Kleine. „Weil dieses Material große Anwendungsmöglichkeiten hat und so innovativ ist, bekomme ich häufig Anfragen mit neuen Produktideen.“

Lessons learned: Was die Investoren anders machen würden

Aus ihren Erfahrungen zählen Andreas und Michael Kleine vier Aspekte auf, die ihnen heute wichtig sind: ein gutes Team, ein begeisterndes Produkt, regionale Nähe und die Beteiligung aller Gesellschafter:innen mit eigenem Kapital.

Das Team sei genauso wichtig wie die Produktidee, meint Andreas Kleine: „Wichtig ist, dass man in einen Austausch kommt und Aufgaben gut abgeben kann, damit man sich auf die Kernschritte konzentrieren kann.“ Klare Absprachen und Meilensteine seien in der Zusammenarbeit wichtig. Auch die Persönlichkeit der Gründer:innen müsse stimmen. Da seien sie kritischer geworden, so der 45-Jährige: „Ich würde mich umhören: Was ist das für jemand? Wie ist der Leumund?“

Natürlich müsse auch der Business Case stimmen. Da sie selbst im produzierenden Gewerbe tätig sind, würden sie Pläne durchaus mal kritisch hinterfragen, so Andreas Kleine: „Ist es wirklich realistisch, dass in fünf Wochen ein Prototyp fertig ist?“

Mit räumlicher Nähe gehe all das besser als in 800 Kilometern Entfernung. Im Fall des Startups konnten die Investoren nicht mal eben im Forschungsinstitut vorbeischauen. Michael Kleine stellt deshalb klar: „Wir wollen nicht mehr in der Ferne investieren. Wir sind welche, die in ein Produkt investieren, das man anfassen kann.“ Eine Stunde Fahrtzeit von Bremen aus, das sei in etwa ihr Radius. Genügend Potenzial gebe es mit Blick auf die Universitäten und Hochschulen im Land Bremen durchaus.

Was sie aus dem Fall auch gelernt haben: Alle Gesellschafter:innen müssen mit Geld beteiligt sein. Damit steige die Wahrscheinlichkeit, dass jede:r ein Interesse daran hat, dass das Projekt weitergeht.

Corporates als gute Investor:innen für Startups

Und ein fünfter Aspekt ist Andreas Kleine wichtig: „Man kann sich nicht früh genug um die nächste Finanzierungsrunde kümmern. Man darf nicht unterschätzen, wie lange die Vorbereitung zum Beispiel für ein Pitchdeck dauert. Geld, Geld, Geld - je früher, umso besser. Das geht nicht in zwei Monaten.“

Nicht nur bei der Produktentwicklung, sondern auch bei der Investor:innensuche wollen die Brüder Startups unterstützen. Andreas Kleine betont die Vorteile eines Corporate Investors: „Wenn man als Firma auftritt, wird man eher gesehen, als wenn eine Person X sucht.“ Sein Tipp an Startup-Teams: „Sucht euch ein Unternehmen, wo ihr nicht aufgefressen werdet, wie zum Beispiel in einem Konzern. Einen kleinen Mittelständler, wie wir das sind, wo man schnell und direkt entscheiden kann.“

Als weiteren Vorteil von Corporate Investor:innen nennt er, dass diese dabei helfen, Struktur in die frühe Gründungsphase zu bringen: „Wir wissen, wie ein Berichtswesen funktioniert. Gerade wenn es darum geht, mit institutionellen Investoren zusammen zu arbeiten, kann das wertvoll sein.“

Weiter Investieren

Andreas und Michael Kleines Strategie bleibt wie bisher: Sie wollen diversifizieren. Würde man ihnen eine spannende Idee vorstellen, dann würden sie die Chance ergreifen. Auch eine Nachfolge oder ein Joint Venture mit einer Firma ähnlicher Größe kann sich Andreas Kleine vorstellen: „Man muss ja nicht immer der Einzelkämpfer sein. Ich glaube, so kommen zwei professionellere Strukturen zusammen.“

Bremer Unternehmen, die Interesse an einem Startup-Investment haben, raten sie, die vorhandenen Anlaufstellen zu nutzten. In Bremen wären das zum Beispiel das Starthaus, die Universität oder die verschiedenen Gründungsplattformen.

Bevor sie sich selbst wieder aktiv auf die Suche begeben, müssten aber erst die Baukonjunktur und damit das Kerngeschäft wieder besser laufen und die Insolvenz des Startups abgeschlossen sein. „Es ist ja ein Kann und kein Muss“, sagt Michael Kleine. „Es muss ein spannendes Produkt sein, auf das wir Lust haben. Unsere Regel ist: Es darf unser Kerngeschäft nicht gefährden.“

Andreas Kleine bereut die zwei mäßigen Erfahrungen nicht: „Man hat etwas gelernt. Und dann ist es vielleicht die dritte oder vierte Idee. Man muss ein Scheitern oder einen Misserfolg einkalkulieren.“

Mit dem Investor Readiness Programm könnt ihr euer Startup auf die Investorensuche vorbereiten. Meldet euch rechtzeitig an, alle Infos zum Programm findet ihr hier.

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