14.1.2022 - Mona Fendri

Mapu Speakers – Ein Sound aus den Tiefen der Erde

Starthaus Coachingprogramm

Wie zwei Gründende nachhaltige Lautsprecher fertigen und traditionelles Töpferhandwerk mit moderner Akustik kombinieren

Pablo Ocqueteau und Philine von Düszeln sitzen auf der Couch und zeigen die Mapu Speakers.
Stolz präsentieren Pablo Ocqueteau und Philine von Düszeln ihre Mapu Speakers. © Starthaus/Fendri

Als die ersten Klänge von Pink Floyds „Money“ aus den Lautsprechern ertönen, werden plötzlich alle still. Die rhythmischen Münzgeräusche, das berauschende Gitarrensolo, die übermenschliche Stimme – gebannt lauschen alle Anwesenden den melodiösen Klängen, die den ganzen Raum wie eine musikalische Wolke einhüllen. Die Musik verstummt und Pablo Ocqueteau und Philine von Düszeln nicken zufrieden. Mapu Preto, so heißt ihre neueste Kreation, die das heimelige Bremer Wohnzimmer für einen Moment durch Raum und Zeit schweben lässt: Lautsprecher, die auf einzigartige Weise traditionelles portugiesisches Töpferhandwerk mit modernster dänischer Sound-Technik vereinen.

Ein langer Entwicklungsprozess

Alles begann, als Pablo Ocqueteau in Chile Design studierte. „Mir ist damals aufgefallen“, erinnert er sich, „dass viele meiner Kommilitonen und Kommilitoninnen Designs mit einer ausländischen Ästhetik entwickeln wollten, um sich dem internationalen Markt anzupassen. Ich schwamm gegen den Strom und fing an, mich mit der Sprache und Kultur der indigenen Mapuche auseinanderzusetzen sowie chilenische Materialien und Arbeitstechniken für meine Designs zu verwenden.“ Doch der Student wollte noch einen Schritt weiter gehen und eine Brücke zwischen Tradition und moderner Technologie schaffen, ein Produkt entwickeln, das auf das traditionelle Handwerk aufmerksam macht, aber gleichzeitig attraktiv für ein junges sowie internationales Publikum ist. Zusammen mit seiner Partnerin Philine von Düszeln fertigte er 2010 einen ersten Prototyp für einen Lautsprecher an, mit dem er sich bei einem internationalen Design-Wettbewerb bewarb. Mit Erfolg, denn der Prototyp zog die Aufmerksamkeit vieler Medien aus aller Welt auf sich. Dass aus der Idee ein tatsächliches Produkt entstehen könnte, war für die beiden damals allerdings noch undenkbar.

Nach dem erfolgreichen Wettbewerb konzentrierte sich das Duo viele Jahre auf andere Projekte. Unter dem Namen Documentary Design drehten sie Dokumentarfilme und machten Fotoreportagen, unter anderem über das Handwerk in Patagonien, um auf die Lage des Handwerks und der Handwerker:innen aufmerksam zu machen und diese zu unterstützen. Doch 2015 passierte etwas, das die Lautsprecher-Idee wieder aufblühen ließ. „Plötzlich wurden wir wieder von Medien aus aller Welt angeschrieben, die sich für unsere Lautsprecher interessierten“, berichtet Ocqueteau. „Tatsächlich hatte ein Magazin eine Reportage über unsere Lautsprecher veröffentlicht, in der diese hoch angepriesen wurden. Zu diesem Zeitpunkt kam uns dann doch der Gedanke, das Projekt umzusetzen.“

die Mapu Speakers
Für ihre Mapu Speakers verwenden von Düszeln und Ocqueteau ausschließlich natürliche Materialien. © Documentary Design

Schritt für Schritt – Learning by doing

Ocqueteau und von Düszeln mussten schnell feststellen, dass eine solche Produktion sehr teuer werden würde. Um herauszufinden, ob sich die Investition lohnen könnte, entschieden sie sich, einen Publikumstest durchzuführen. Zusammen mit einem befreundeten portugiesischen Töpfer entwickelten sie drei Prototyp-Designs und bewarben sich beim Salone Satellite, einem Projekt der Mailändischen Möbelmesse, das sich explizit an junge Designer und Designerinnen sowie Start-ups richtet. Auf der Messe gewannen die beiden Gründenden einen Preis und zogen wieder einmal große mediale Aufmerksamkeit auf sich. Beflügelt vom Erfolg, beantragten sie finanzielle Förderungen und starteten später eine Kickstarter Kampagne, die es ihnen ermöglichten, ihre erste Serie „Mapu Guaquen“ (Klang der Erde) zu fertigen. Ein spannender Lernprozess begann. „Wir sind in das Töpferdorf Nacimiento in Chile gezogen und haben vor Ort an der Produktion der Lautsprecher mitgearbeitet: Wir haben den Ton vorbereitet, beim Brennen geholfen, ja, wir haben sogar dabei geholfen, die Schafe zu scheren, deren Wolle wir für die akustische Dämmung unserer Lautsprecher benutzen“, erinnert sich von Düszeln schmunzelnd. Nacimiento gehörte einmal zu den wichtigsten Töpferdörfern Chiles, mit dem besten Ton des Landes. Inzwischen führen nur noch acht Werkstätten das spezielle Handwerk fort. Nachfolger:innen gibt es kaum. „Es ist immaterielles Kulturgut, das aussterben wird, wenn wir es nicht wieder in die Produktion miteinbeziehen“, erklärt die Gründerin. „Es geht darum, das ganze Wissen zu erhalten, weiterzugeben und neuen Nutzen dafür zu finden.“ 

Ein Töpfer bei der Arbeit
Die neuen Lautsprecher produzieren die beiden Gründenden zusammen mit Töpfer:innen aus dem portugiesischen Molelos. © Documentary Design

Nachhaltigkeit als Grundprinzip

Ihre neuesten Lautsprecher „Mapu Preto“ und „Mapu Soenga“ produzieren Ocqueteau und von Düszeln zusammen mit portugiesischen Handwerker:innen aus dem Töpferdorf Molelos. Die Töpfer:innen vor Ort verwenden einen eisenhaltigen Ton und arbeiten mit der Reduktion von Sauerstoff im Abkühlvorgang. So erhält der Ton seine schwarze Farbe. Eine weitere spezielle Technik, die in Molelos verwendet wird, heißt Soenga: Einmal im Jahr wird die Keramik während einer besonderen Zeremonie im Erdloch gebrannt. Diese Technik gehört zum von der UNESCO anerkannten Kulturerbe.

„Langfristig wollen wir unsere Serien in unterschiedlichen Orten entwickeln und so zeigen, dass es diese Töpferdörfer und dieses besondere Handwerk überall auf der Welt gibt und man überall mit den regionalen Materialien, Ästhetiken und Techniken einzigartige Produkte schaffen kann“, so von Düszeln. Die beiden Gründenden von Documentary Design haben sich das Ziel gesetzt, ihre Lautsprecher so nachhaltig wie möglich zu produzieren. „Wir wollen Nachhaltigkeit auf drei Leveln: ökologisch, aber vor allem kulturell und sozial“, erklärt von Düszeln weiter. Es ginge darum, regional zu produzieren und hauptsächlich natürliche Materialen zu nutzen. „Wir wollen zeigen, dass eine andere Art zu produzieren und konsumieren möglich ist. Deshalb stellen wir uns immer wieder die Frage, wie ein Lautsprecher aussehen kann, der von Hand gemacht ist und nicht in Massenproduktion gefertigt wird.“

Im Sommer 2021 nahmen Ocqueteau und von Düszeln an der „No Waste Challenge“ der Organisation „What Design Can Do“ teil, ein internationaler Design-Wettbewerb, der sich mit dem Thema Abfallreduzierung auseinandersetzt. Unter knapp 1.400 Bewerbungen sind ihre Mapu Speakers eins von 16 Siegerprojekten, die nachhaltige Lösungen präsentierten, um Abfall zu reduzieren und den gesamten Produktions- und Konsumzyklus zu überdenken. Gemeinsam mit den anderen Gewinnern und Gewinnerinnen nehmen sie nun an einem Impact Accelerator Programm des Impact Hubs Amsterdam teil.

Die Keramik-Hüllen der Speaker liegen auf der Erde im Rauch.
Während der Soenga-Zeremonie wird die Keramik im Erdloch gebrannt. © Documentary Design

Feinste Akustik aus Dänemark

Die Akustikentwicklung für die neue, portugiesische Serie fand vollständig in Dänemark statt. Dabei folgten Ocqueteau und von Düszeln einem ganz anderen Ansatz als bei der chilenischen Serie, denn um sich auf dem europäischen Markt etablieren zu können, müssen die Lautsprecher ganz spezifischen Standards entsprechen. „Damals war es hauptsächlich Glück, dass Volumen, Verstärker, Membranen und alles andere zusammenpassten“, erläutert Ocqueteau. „Bei der portugiesischen Serie haben wir mit der Akustik angefangen und danach definiert, wie die ideale Form aussehen soll. Interessanterweise sind wir auf ein ähnliches Ergebnis gekommen wie bei Mapu Guaquen, aber präziser.“

17 Monate lang tüftelten die beiden im Sound Hub Denmark an der Akustik für ihre Lautsprecher. Im kleinen Ort Struer – der Heimat von Bang & Olufsen – treffen Sound- und Akustik-Start-ups aus aller Welt zusammen. Dort stehen Gründerinnen und Gründern Werkstätten, Labore und Testanlagen sowie die Expertise und das Know-how von erfahrenen Akustikingenieur:innen zur Verfügung. Auch Ocqueteau und von Düszeln profitierten von den vorhandenen Möglichkeiten. „Wir haben sehr viele Tests gemacht mit unseren Lautsprechern. Wir haben Messungen in schalltoten Räumen wie dem bekannten „Cube“ von Bang & Olufsen vorgenommen und getestet, wie sich die Materialien unserer Lautsprecher in Extremsituationen wie Hitze oder Feuchtigkeit verhalten. So konnten wir entsprechend reagieren, die Einzelteile optimieren und die Materialien besser imprägnieren oder auch wichtige Hinweise in die Gebrauchsanweisung mitaufnehmen“, so von Düszeln.

Das Studio im Sound Hub Denmark
Im Sound Hub Denmark testeten die Gründenden ihre Lautsprecher. © Documentary Design

In Bremen Fuß gefasst

Nach fast anderthalb Jahren Arbeit im Sound Hub Denmark war das Duo zufrieden mit dem Ergebnis. Doch die fertigen Produkte von Struer aus zu vermarkten und europaweit zu vertreiben, wäre umständlich gewesen. Ein neuer Standort musste her. „Ein Ort, in dem es viel Natur gibt, der nicht zu groß ist und dennoch alle Vorzüge einer Großstadt bietet, gut angebunden und in Flughafennähe ist, von dem man Dänemark, Portugal sowie andere europäische Städte gut erreichen kann“, zählt Ocqueteau auf. In Anbetracht all dieser Kriterien fiel die Wahl schließlich auf von Düszelns Heimat Bremen – auch aufgrund der familiären Nähe, die die beiden Gründenden nun genießen können. Vor ihrer Ankunft in Bremen bewarben sie sich für einen Raum im Creative Hub, den sie innerhalb kürzester Zeit beziehen konnten. Dort bauen sie nun Tag für Tag die Mapu Speakers von Hand zusammen und führen die finale Qualitätskontrolle durch.

Einen weiteren Vorteil Bremens sahen die Gründenden in ihrer Teilnahme am Starthaus Coachingprogramm. Das Programm unterstützte sie dabei, einen strukturierten Maßnahmenplan für ihr Business zu erstellen und sich mit Aufgaben zu befassen, die für die nächsten Schritte – Vermarktung und Vertrieb – essenziell sind. Auch der Kontakt zu anderen Bremer Start-ups war für die beiden Neubremer eine große Stütze. „Im Rahmen des Coachingprogramms haben wir eine Kundinnen- und Kundenumfrage entwickelt“, berichtet von Düszeln. „Das war wichtig, besonders im Hinblick auf die neue Serie, die wir bald herausbringen wollen. Das Feedback war sehr positiv. Wir haben festgestellt, dass viele Käuferinnen und Käufer unsere Lautsprecher wie ein Sammlerstück betrachten. Sie verstehen den Wert von dem Handgemachten und Besonderen und schätzen es, dass die Mapu Speakers, im Gegensatz zu vielen Lautsprechern, sowohl auf Technik als auch auf Ästhetik Wert legen.“ 

Die Mapu Speakers im Wohnzimmer.
Die Mapu Speakers fügen sich perfekt ins heimische Wohnzimmer ein. © Documentary Design

Der Vorverkauf der portugiesischen Serie startet Anfang 2022. Bis Ende März 2022 können Musikliebhaber:innen die Mapu Speakers mit 20 Prozent Ermäßigung erwerben. Der Verkauf wird im ersten Schritt online stattfinden, doch die beiden Gründenden planen auch den Einzelhandel miteinzubeziehen. „Wir haben gemerkt, dass es wichtig für Kundinnen und Kunden ist, die Lautsprecher anzufassen und zu testen. Deshalb bieten wir aktuell kostenloses und unverbindliches Probehören und Beratung in Bremen, Hamburg und in einem Umkreis von 100 Kilometern. Wir kommen zu den Leuten nach Hause, sodass sie die Mapu Speakers direkt in ihrem heimischen Umfeld ausprobieren können. Interessierte können uns gerne jederzeit kontaktieren.

An einer Gründung interessiert? Schreibt uns gern eine Mail an info@starthaus-bremen.de oder ruft uns unter +49 (0)421 9600 372 an, wenn ihr Fragen zu eurer Gründung(sidee) habt. Wir haben die Antworten.

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