5.1.2024 - Jann Raveling/Diana Bluhm

Mit dem Starthaus-Coachingprogramm in die Selbstständigkeit

Starthaus Coachingprogramm
Daniela Kirchhoff und Andreas Mündl vor einem Starthaus-Aufsteller
Daniela Kirchhoff und Andreas Mündl haben mehr als 450 Teilnehmende im Starthaus-Coachingprogramm betreut © Starthaus/Jann Raveling

Mit dem Coachingprogramm wurde 1998 eine Bremer Erfolgsstory geboren. 25 Jahre nach dem Start kann das Programm auf über 250 erfolgreiche Unternehmensgründungen zurückblicken. Und nicht nur das: circa 70 Prozent der aus dem Coachingprogramm gegründeten Unternehmen bleiben am Markt bestehen.

Ziel des Starthaus Coachingprogramms ist es, Gründungswillige mit Seminaren, Trainings, Feedback- und Einzelgesprächen, Strukturierungshilfen und einer einjährigen persönlichen Begleitung auf ihre Selbstständigkeit vorzubereiten. „Wichtige Bausteine, die jede Gründerin und jeder Gründer in der Vorbereitung braucht, um sich ein gutes Geschäftskonzept, eine professionelle Wissensbasis und Know-how für den Start mit dem eigenen Unternehmen aufzubauen“, wirbt Andreas Mündl, Starthelfer in der Programmleitung des Starthaus Coachingprogramms.

Für wen genau ist das Programm gedacht? Welche Themen werden vermittelt? Ist das Coachingprogramm auch für sozial, ökologisch und primär am Gemeinwohl ausgerichtete Existenzgründer:innen geeignet? Wir haben beim Leitungsteam Andreas Mündl und Daniela Kirchhoff nachgefragt.

Wie liefen denn die Auswahlgespräche im September und Oktober und wie viele Teilnehmende sind in der im November gestarteten Gruppe dabei?

Andreas Mündl: Wir haben für den Novemberstart insgesamt 19 Kurzbewerbungen erhalten und mit 15 Bewerber:innen  Pitchgespräche geführt. Wir nehmen uns viel Zeit für das Auswahlverfahren, um möglichst vielen die Möglichkeit zu geben, ihr Gründungsvorhaben vorzustellen und die damit verbundenen unternehmerischen und persönlichen Ziele kennenzulernen. Gleichzeitig wollen wir auch über ihre Unterstützungsbedarfe und Entwicklungswünsche sprechen. Dadurch findet für alle Bewerber:innen ein Klärungs- und Präzisierungsprozess statt – auch für diejenigen, die wir nicht oder noch nicht in das Programm aufnehmen. Aus den 15 Pitchgesprächen haben wir acht Teilnehmer:innen mit sieben Gründungsvorhaben für das Coachingprogramm ausgewählt, davon sechs Einzelgründer:innen und ein Zweierteam.

Wie sieht ein typischer Coachingprogramm-Durchlauf aus?

Daniela Kirchhoff: Das einjährige Qualifizierungs- und Ausbildungsprogramm umfasst aktuell 30 Einzelveranstaltungen, die zwischen zwei und vier Stunden dauern und – als Peergroup-Veranstaltungen - abwechselnd in Präsenz im Starthaus und im Videokonferenzformat stattfinden. Das Angebot setzt sich aus  mehreren Kompetenzentwicklungsbausteinen zusammen: Geschäfts- und Businessplanung, betriebswirtschaftliche und rechtliche Grundlagenseminare, Marketing- und Vertriebsseminare,  Kommunikations- und Präsentationstrainings. Dazu kommen monatliche zweistündige Meetups, an denen alle Coachees und wir Starthaus-Betreuer:innen teilnehmen. In vielen dieser Veranstaltungen arbeiten wir sehr Teilnehmer:innen-zentriert und die Meetups geben zusätzlichen Raum, aktuelle Fragestellungen und Probleme aus der Gruppe aufzugreifen und zu bearbeiten. Parallel zum Ausbildungsprogramm bearbeiten und erledigen die  Coachees vier Meilensteinaufgaben, über die sie zielorientiert zu ihrem Geschäftskonzept und damit Businessplan gelangen. In den ersten sechs Programm-Monaten findet der größere Teil der Ausbildungsveranstaltungen statt, damit die Teilnehmenden zu Beginn viel Input erhalten über den sie schnell persönliche, kaufmännische und unternehmerische Kompetenzen erwerben.

Welche Meilensteine gilt es denn für die Teilnehmenden in den zwölf Monaten zu bearbeiten?

Daniela Kirchhoff: Die Teilnehmenden bekommen vier Meilensteinaufgaben, über die sie ihr Geschäftskonzept und den Businessplan selbst entwickeln und ausarbeiten. Im ersten Meilenstein geht es zum Beispiel darum, Zielgruppe, Wettbewerber:innen, Markt und das Geschäftsmodell tiefergehend zu betrachten und eine Befragung potentieller Kunden durchzuführen. Im zweiten Meilenstein um die betriebswirtschaftliche Planung und Kalkulation. Am Ende eines jeden Meilensteins steht ein Feedbackgespräch mit uns an. Da schauen wir, was gut läuft und geben Hinweise, an welchen Stellen nachgebessert werden sollte. Da jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer eine feste Betreuungsperson in Andreas oder mir hat, können wir die Entwicklungsprozesse über das Jahr gut mitverfolgen und unterstützen. Wir sind sozusagen Kümmerer, auch zwischen den Gesprächs- und Seminarterminen ansprechbar und helfen während der ganzen Projektphase weiter.

Das Coachingprogramm öffnet sich für Social Entrepreneurs – was können Bewerber:innen beziehungsweise Teilnehmer:innen aus dieser Zielgruppe ab Frühjahr 2024 erwarten?

Andreas Mündl: In der Vergangenheit haben wir schon in einigen Coachinggruppen Teilnehmende betreut, die ein sozialunternehmerisches Gründungsvorhaben vorangetrieben und zur Umsetzung gebracht haben. Nun wollen wir sie aber noch gezielter im Gründungsprozess fördern, wie es auch vom Land Bremen geplant ist. Dafür bereiten wir im Moment neue Module vor, in denen es unter anderem um die Geschäftsmodellierung von Sozialunternehmen, die Wirkungsanalyse, Recht- und Steuerwissen explizit für Social Entrepreneurs und die Finanzierungsoptionen und -planung geht.

Dazu möchte ich einen wichtigen Aspekt hervorheben. Angehende Sozialunternehmer:innen richten ihren Fokus primär darauf, gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen, konkrete gesellschaftliche oder ökologische Probleme zu lösen und unser Gemeinwohl zu stärken. Sie zielen in der Regel nicht auf eine an Marktbedingungen orientierte Gewinnerzielung. Das bedeutet, dass sie - alternativ zu einer betriebswirtschaftlichen Rentabilitäts- und Erfolgsrechnung - am Gemeinwohl orientierte Kriterien und Wirkungszusammenhänge für die Bewertung ihres unternehmerischen Handelns benötigen. Die Auswahl und Einbettung solcher Wirkungszusammenhänge in das Gründungskonzept ist für die meisten Social Entrepreneurs herausfordernd, weil sich oftmals eine Wirkung der eingesetzten Mittel und Ressourcen nicht eindeutig zuordnen oder beziffern lässt. Plausible Wirkungszusammenhänge benötigen die Social Entrepreneurs aber auch für die Einwerbung von Finanz- und Projektmitteln, wie zum Beispiel bei Stiftungen oder Projektfinanzierern. Die wollen ja wissen, was mit ihrem Geld erreicht werden soll. Unter anderem bei diesen Fragestellungen wollen wir Programmteilnehmende mit einem Gründungsvorhaben aus dem Sozialunternehmertum über zusätzliche Module im Coachingprogramm ab April nächsten Jahres unterstützen.

Welche Erfahrungen gibt es mit Seminarveranstaltungen im Videokonferenz-Format und wie wird dies von den Teilnehmenden angenommen?

Andreas Mündl: Bis zum Beginn der Corona-Pandemie haben wir das Coachingprogramm ausschließlich in Form von Präsenzveranstaltungen durchgeführt. Seit Ende 2020 führen wir etwa die Hälfte der 30 Seminarveranstaltungen eines Programmdurchgangs über Videokonferenzen durch und können so die Zeitersparnis und Flexibilität von Online-Workshops mit den sozialen und kommunikativen Aspekten der Präsenzveranstaltungen verbinden. Mehr als die Hälfte der Coachingprogramm-Veranstaltungen wollen wir aber nicht im Online-Format abhalten, da wir stark auf die positiven Lerneffekte und das Miteinander in der Gruppensituation setzen und für fast alle Teilnehmenden ihre Peergroup ein sehr wichtiger Mehrwert im Gründungsvorbereitungsjahr darstellt. Ein Online-Meeting kann eben die Qualität des persönlichen Gespräches und das Face-to-Face-Netzwerken nicht ersetzen.

Daniela Kirchhoff und Andreas Mündl im Interview
Daniela Kirchhoff und Andreas Mündl beraten neben klassischen Gründungsvorhaben auch angehende Sozialunternehmer:innen. © Starthaus/Jann Raveling

Daniela, aus deiner Erfahrung, was fällt jungen Gründerinnen und Gründern am Anfang besonders schwer?

Daniela Kirchhoff: Die Zielgruppe zu kennen. Wir sagen immer: „Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“. Nicht immer sind die eigenen Wünsche das, was der Kunde oder die Kundin wollen. Und dann muss man nachjustieren und eigene Vorstellungen über Bord werfen. Leidenschaft für Kundinnen und Kunden, darum geht es. Dieser Erkenntnisprozess dauert – aber wenn er da ist, ergibt sich vieles andere daraus.

Andreas, nachdem du mehr als 450 Teilnehmende begleitet hast: Was würdest du sagen ist das wichtigste Persönlichkeitsmerkmal eines erfolgreichen Gründers oder einer Gründerin?

Andreas Mündl: Das Allerwichtigste ist zunächst die Begeisterung, Leidenschaft und Überzeugung für das eigene Angebot beziehungsweise die Problemlösung. Dass jemand bereit ist, eine Durststrecke durchzuhalten, auf Einkommen zu verzichten, durch Schwierigkeiten durchzugehen. Das Tal der Tränen kommt mindestens einmal in einer Gründungsphase, deshalb muss er oder sie mit Feuer bei der Sache sein.

Was bereitet euch an eurer Arbeit am meisten Freude?

Daniela Kirchhoff: Der Kontakt mit den Menschen. Zweimal im Jahr neue Ideen, neue Themen, mit denen man im eigenen Alltag nicht unbedingt Berührungspunkte hat. Das erweitert den Horizont, man beschäftigt sich automatisch mit neuen Wissensgebieten. Außerdem ist es natürlich spannend die Gründenden und ihre Projekte zu begleiten und zu sehen, wie sie wachsen.

Andreas Mündl: Mich begeistert es, das schrittweise Voranschreiten sowie die Entwicklung der Projekte zu beobachten und zu begleiten. Und nach einem Jahr nochmal zu schauen, wo die Gründerinnen und Gründer im Vergleich zu ihrem Programmbeginn stehen. Wenn ein Geschäftsmodell eine Person finanziell trägt, die Gründerin oder der Gründer vielleicht sogar schon den ersten Arbeitsplatz geschaffen hat, dann macht mich das sehr stolz.

Was würdet ihr neuen Bewerberinnen und Bewerbern mit auf den Weg geben?

Daniela Kirchhoff: Das Programm bedeutet Zeiteinsatz und Arbeit, die Seminare, die Bearbeitung der Meilensteinaufgaben, das ist nicht für jede oder jeden die ideale Lösung. Aber ein Gespräch mit uns hilft weiter, egal, in welcher Phase der Gründung er oder sie steht. Dieses Feedback erhalten wir immer wieder. Und wenn das Coachingprogramm nicht der richtige Weg ist, dann sagen wir das auch und zeigen Alternativen innerhalb des Bremer Gründungsnetzwerks auf.

Andreas Mündl: Ja, wir sind offen für durchdachte Ideen und laden alle zum Gespräch ein. Wir haben keine begrenzte Zahl an Plätzen im Programm, sondern verstehen uns als Chancengebende mit Begeisterung für verschiedene Gründungstypen und -projekte. Eine Kurzbewerbung oder einfach nur ein Telefongespräch reicht, um mit uns in Kontakt zu kommen.

Daniela Kirchhoff, Andreas Mündl, vielen Dank!

Hier gibt es alles Informationen rund um das Starthaus Coachingprogramm und die aktuelle Anmeldedeadline.

An einer Gründung interessiert? Schreiben Sie uns gern eine Mail an info@starthaus-bremen.de oder rufen Sie uns unter +49 (0)421 9600 372 an, wenn Sie Fragen zu Ihrer Gründung(sidee) haben. Wir haben die Antworten.

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