Die Haare schön vegan
Starthaus WomenWenn aus Tierliebe eine Geschäftsidee wird
Eigentlich wollte sie gar keine Friseurin werden – jetzt hat Yasmina Mangieri in der Neustadt einen eigenen Salon. Und der setzt voll auf Nachhaltigkeit.
Im Leben von Yasmina Mangieri ist ganz offensichtlich etwas schiefgelaufen. „Ich wollte nie Friseurin werden“, sagt die 38-Jährige, während sie einer Kundin die Haare stylt. Sie wirft einen Blick auf ihr eigenes Spiegelbild und fügt lachend hinzu: „Wie man sieht, ist das gründlich danebengegangen“. Im Juli 2019 hat die Wahlbremerin VAIR HAIR in der Neustadt eröffnet – ihren ersten eigenen Friseursalon.
Eine Familie, neun Friseurinnen
Mangieri verabschiedet sich von ihrer letzten Kundin für heute und setzt sich zum Gespräch in die Sitzecke ihres Salons. Mit einem breiten Grinsen fragt sie: „Mit was wollen wir loslegen?“. Selbst nach Feierabend keine Spur von Müdigkeit bei der blonden Frau mit den tätowierten Armen. Also fangen wir vorne an. Mangieri erzählt, wie alles anfing und dann doch anders kam als geplant. Als Tochter italienischer Einwanderer wuchs sie in Schwäbisch-Gmünd bei Stuttgart auf – in einer Familie, die neun Friseurinnen hervorgebracht hat. Im Salon ihrer Tante verbrachte sie als Kind ihre Nachmittage. Brauchte einer der Azubis mal wieder jemanden zum Üben, war es oft Mangieris Kopf, der herhalten musste. So machte sie jeden Trend mit, der über die Jahre angesagt war. Nicht immer mit erfreulichen Ergebnissen.
Berufswunsch: bloß keine Friseurin
Als junge Erwachsene hatte sie genug von Salons, wollte alles werden außer Friseurin, konnte sich aber für keinen anderen Beruf entscheiden. „Da in meiner Familie Nichtstun nicht gern gesehen ist, blieb mir dann nichts anderes übrig, als den freien Ausbildungsplatz im Geschäft meiner Tante anzunehmen“, erzählt sie. Sie schloss ihre Ausbildung ab, arbeitete danach mit wachsender Leidenschaft in diversen Salons rund um Stuttgart und später in Bremen. Vor neun Jahren zog sie in die Hansestadt, wo sie nun die Familientradition mit ihrem ersten eigenen Salon fortsetzt.
Auf den Hund gekommen
Stolz führt Mangieri durch das 110 Quadratmeter große Ladengeschäft an der Kornstraße in der Neustadt. „Das da“, die Chefin zeigt in die Ecke, „ist meine unnütze Assistenten Lila“. Die braune Hündin, die zusammengerollt auf ihrem Kissen liegt, hat nur einen müden Blick für ihr Frauchen übrig. Jeden Tag kommt die Podenco-Hündin mit in den Laden, holt sich ab und zu Streicheleinheiten bei der Kundschaft und verschläft den Rest des Tages.
Kein Fleisch, kein Leder, keine Tierversuche
Tierliebe und Umweltschutz spielen in Mangieris Leben eine prägende Rolle. Seit fünf Jahren lebt sie vegan. Sie isst keinerlei tierische Erzeugnisse, trägt kein Leder und verzichtet auf Produkte, die an Tieren getestet wurden. Auch Hündin Lila frisst größtenteils vegan. Statt Fleisch bekommt sie Futter auf Insektenbasis. Ihre persönlichen Überzeugungen haben Mangieri auch auf den Plan mit der Selbstständigkeit gebracht. „Ich wollte einfach kein Shampoo mehr verkaufen, das auf Mineralöl basiert oder andere Dinge tun, die ich nicht vertreten kann“, sagt sie.
Keine Chance bei den Banken
Die einzige große Hürde auf dem Weg zum eigenen Laden: die Finanzierung. Nachdem Mangieri entschieden hatte, sich selbstständig zu machen, klapperte sie im Frühjahr 2019 alle großen Banken in Bremen ab. Keine wollte ihr einen Kredit gewähren. Das lag laut Mangieri einerseits an der sehr hohen Friseurdichte in Bremen, sie vermutet aber auch einen weiteren Grund hinter den vielen Absagen. Ob sie das allein stemmen könne, sei sie gefragt worden. Und wie es mit ihrer Familienplanung aussehe. „Solche Fragen bekommen männliche Gründer nicht gestellt“, ist sie sich sicher.
Die richtige Idee in Zeiten von „Fridays for Future“
Zu guter Letzt versuchte sie es bei der BAB - Die Förderbank für Bremen und Bremerhaven. „Das war toll“ erzählt die Friseurin. Sie präsentierte ihren Businessplan zwei jungen Mitarbeiterinnen, die sofort verstanden hätten, dass das Konzept in Zeiten von „Fridays for Future“ den Zeitgeist trifft. Weiterer Pluspunkt für die Gründerin: Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen veganen Friseursalon in der Stadt. Ihrer ist der erste. Einige Wochen später meldete sich die BAB mit der Zusage für das beantragte Mikrodarlehen.
Mann oder Frau? Das macht keinen Unterschied
Im Juli 2019 eröffnete Mangieri ihren Laden, der sich erst auf den zweiten Blick von anderen Friseursalons unterscheidet. Bei VAIR HAIR gibt es keine Wärmehaube (wegen des hohen Stromverbrauchs), kein herkömmliches Plastik (alle Verpackungen bestehen aus recyceltem Kunststoff) und keine Produkte auf Basis von Bienenwachs, Mineralöl oder Parabenen (stattdessen sind alle Mittel sind zu 95 Prozent pflanzlich). Wer Behälter fürs Abfüllen von Pflegeprodukten mitbringt, bekommt auf den Einkauf zehn Prozent Rabatt. Der Strom ist öko und die Preise für die Kund:innen fair: Frauen und Männer zahlen den gleichen Preis für gleiche Leistung.
Die nächste Herausforderung: das richtige Personal
Immer wieder klopfen an diesem Abend Menschen beim Vorbeigehen an die große Fensterfront und winken der Friseurin lächelnd zu. Die Nachbarschaft habe sie herzlich aufgenommen und die Gegend, der südliche Teil der Neustadt Richtung Huckelriede, sei im Kommen. Und ihr Konzept, wie kommt das an? „Das Terminbuch ist gut gefüllt“, antwortet die Friseurin noch Anfang 2020. Auch aus Cloppenburg, Vechta oder Achim kommen die Kund:innen. „Doch während der Pandemie hatte ich schon eine schwierige Zeit – wie so viele andere auch in meiner Branche.“ Sollten sich die Bücher aber wieder füllen, kann Mangieri sich vorstellen, selbst Personal einzustellen, was herausfordernd werden könnte. „Meine Mitarbeitenden sollen nicht nur qualifiziert und nett sein, sondern auch Veganer:innen.“ Nach einer kurzen Pause fügt sie lächelnd hinzu: „Oder mindestens Vegetarier:innen.“ Trotz aller Herausforderungen, die ein eigenes Geschäft auch ohne Pandemie mit sich bringt, ist die 38-Jährige froh, den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt zu haben. Und was sagt ihre Familie dazu? Die ist „megastolz“, dass die Friseurin die Familientradition fortsetzt.
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