"Wir wollen etwas mit der Gesellschaft für die Gesellschaft schaffen"
Social Entrepreneurshipweserholz gestaltet nachhaltige Produkte, Orte und Bildungskonzepte
Der Begriff Social Design steht für die Gestaltung von gesellschaftlichen Prozessen. Wo das klassische Design Gegenständen wie Tischen, Stühlen oder Computern eine Form gibt, will das Social Design unserer Umwelt und Gesellschaft eine neue Form geben.
Es geht vielfach darum, gesellschaftliche Herausforderungen wie Armut, Chancenungleichheit, Klimawandel, Alterungsprozesse oder Bildungsunterschiede ins Auge zu fassen. Das Social Design versucht dafür Lösungen zu finden, nicht nur durch Produkte, sondern auch durch neue Prozesse, durch Diskussionsanregungen und neue Praktiken.
In Bremen greift diese Ideen das Designstudio weserholz auf. In einem mehrfach ausgezeichneten Projekt hat das Team zum Beispiel vier Jahre lang einer Gruppe an Menschen mit Fluchterfahrung neue Perspektiven gegeben.
Mit diesen Erfahrungen wollen sie sich nun neuen Herausforderungen stellen. Dafür sind sie unser "Ding des Monats"! Wir haben uns mit Anselm Stählin und Paula Süveges aus dem vierköpfigen Gründungsteam über Social Design und ihre Vorgehensweise unterhalten.
Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Paula, Anselm, was ist für euch Social Design?
Paula: Wir wollen mit kreativen Mitteln und Methoden gesellschaftliche Herausforderungen angehen, Lösungen und Innovationen entwickeln. Mit Social Design meinen wir "Design für die Gesellschaft".
Anselm: Bei uns geht es darum, Design aus einem partizipativen Ansatz zu begreifen. Das heißt konkret, dass wir mit denjenigen in einen Gestaltungsprozess gehen, die vom Produkt oder Prozess am Ende profitieren sollen.
Paula: Wenn ich selbst etwas gestalte und meine Umwelt verändere, habe ich andere Möglichkeiten, mich auszudrücken und Einfluss auf meine Umgebung zu nehmen, als wenn jemand von außen kommt und für mich etwas gestaltet. Deshalb ist es für uns wichtig, dass wir die Menschen mitnehmen und zentral in den Gestaltungsprozess integrieren.
Wie sieht das ganz konkret aus?
Paula: Wir bieten Dienstleistungen an. Die können ganz verschieden sein: Wir gehen mit Unternehmen in eine nachhaltige Produktentwicklung. Oder wir arbeiten mit einem freien Träger der Jugendhilfe zusammen, um mit den Jugendlichen in der Stadtgestaltung etwas zu verändern.
Das können große, aber auch kleine Prozesse sein. Hier um die Ecke gibt es zum Beispiel einen Spielplatz, der kaum genutzt wird. Wie kann man den so verändern, dass er von allen genutzt wird? Solche Fragen wollen wir gemeinschaftlich lösen.
Anselm: Unser Bildungsprogramm mit jungen Erwachsenen ist auch ein Beispiel dafür. Unser Ansatz ist es dabei, über kreative, handwerkliche Arbeit eine Sprache wie Deutsch zu lernen. Das kann man auch auf andere Bereiche anwenden, etwa auf IT-Unternehmen, die auf der Suche nach Nachwuchskräften sind. Da könnten wir ein Konzept für ein Bildungsprogramm erarbeiten, was unsere Methoden nutzt.
Wie hebt ihr euch von anderen Dienstleistenden oder auch sozialen Trägern ab, die ja auch Positives für die Gesellschaft erreichen wollen?
Paula: Wir fragen uns schon früh: Wie können wir die Menschen, die es betrifft, einbinden? Auch schon in der Konzeptphase? Wir sprechen mit ihnen, um herauszufinden: Was braucht ihr eigentlich? Und das sowohl auf der gestalterischen Ebene als auch auf der Bildungsebene. So stellen wir sicher, dass wir auch die Menschen erreichen, mit denen wir gestalterisch tätig sind.
Anselm: Wir haben in den letzten vier Jahren gemerkt, dass man die Wünsche und Bedürfnisse einer Gruppe am besten herausfindet, indem man gemeinsam arbeitet und etwas schafft. Bei uns ist deshalb der "hands-on"-Gedanke sehr wichtig, wir wollen möglichst praktisch arbeiten. Unsere Programme sind natürlich konzeptuell unterfüttert, wir machen uns also viele Gedanken im Voraus. Aber sobald wir mit den Menschen arbeiten, geht es gleich in die Praxis rein.
Bei unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen ist das sicherlich nicht immer einfach...
Paula: Man muss sich selbst frei machen von den eigenen Schubladen im Kopf und nicht schon mit der Idee loslegen, sobald man denkt, ein Bedürfnis identifiziert zu haben.
Anselm: Wir hören zunächst zu. Dann ist es wichtig, dass man von kreativer Seite nicht zu hohe Ansprüche stellt. Niederschwellige Angebote und gemeinsam mit spielerischen Methoden herausfinden, wo Bedürfnisse sind. Das machen wir in einem komprimierten Workshop, der an einem Nachmittag stattfindet.
Paula: Wir haben dafür eigene Methoden entwickelt. Das schnelle Modellieren von Prototypen aus Pappe oder Lego gehört dazu. Das hilft vielen Menschen in unseren Workshops dabei, sich frei zu machen von zu vielen Vorurteilen. Bei den Menschen die Bereitschaft zu schaffen, dass sie sich einem solchen Prozess öffnen, ist durchaus eine Herausforderung. Wir sind aber überzeugt, dass unser Weg der Richtige ist.
Neben der Arbeit im Sozialbereich wollt ihr insbesondere auf die klassische Wirtschaft zugehen. Wie kann die von euren Angeboten profitieren?
Anselm: Wir sehen da verschiedene Ansatzpunkte, ob nun in den Bereichen Diversität, Corporate Social Responsibility oder auch in der Produkt- und Prozessentwicklung. Überall dort, wo Unternehmen aus ihren alten Mustern raus und ihre Perspektiven wechseln wollen, können wir mit unseren kreativen Methoden unterstützen und einen Perspektivwechsel ermöglichen. Zum Beispiel ein Produkt entwickeln, das für mehr Barrierefreiheit sorgt.
Paula: Soziale Herausforderungen mit unternehmerischen Methoden lösen ist ein interessantes Tätigkeitsfeld für uns. Dass wir Prozessketten mitgestalten, die alle Menschen beteiligen und niemanden ausbeuten - das wird immer wichtiger, auch für die "klassische" Wirtschaft.
Wenn Unternehmen jetzt in Umwälzungsprozessen stecken - wann kommen sie dann am besten auf euch zu?
Anselm: So früh wie möglich, ab der ersten Idee. Wir wollen gern gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden herausfinden, wie wir wirksam werden können und zueinander finden. Wenn wir zu spät einbezogen werden und sich dann herausstellt, dass das Konzept von vornherein den falschen Ansatz hatte, entsteht viel Mehrarbeit. Auch wenn ein ko-kreativer Workshop länger dauert im Vorfeld, ist er meistens die effektivere Methode, um die wahren Bedürfnisse einer Gruppe herauszufinden.
Paula: Wir sind kein Designteam, das "alles schön macht". Wir sind da, wenn sich Unternehmen fragen wollen: Ist das, was wir vorhaben, das Richtige? Profitiert die Zielgruppe von dem, was wir uns vorstellen oder sprechen wir die falschen Bedürfnisse an? Das können wir mit unserem gemeinschaftlichen Ansatz herausfinden.
"Soziale Herausforderungen mit unternehmerischen Methoden lösen" definiert auch die Gruppe der Sozialunternehmen, zu denen ihr euch zählt. Ihr seid Mitglied in der Bremer Regionalgruppe des Social Entrepreneurship Networks Deutschlands SEND. Wie seht ihr die Branche in Bremen?
Paula: Wir freuen uns, mit der Branche zu wachsen. Unsere Regionalgruppe steht noch am Anfang und wir wollen natürlich größer werden und noch viel mehr Unternehmen gewinnen.
Viele Sozialunternehmen haben auch selbst nicht das Verständnis von sich, dass sie eines sind. Da bedarf es viel Aufklärungsarbeit. Aber das Potenzial in Bremen ist sehr groß und wir sind mit vielen engagierten Unternehmerinnen und Unternehmern in Kontakt.
Paula, Anselm, vielen Dank!
Das Ding des Monats - powered by Starthaus
Dezember 2021: Claudia Schreiber und ihre Seifenmanufaktur
Januar 2022: Laura Brandt und ihr nachhaltiger Gewürzhandel
Februar 2022: Die Fadenfactory von Antje Heuer
April 2022: bresh und die Zahnputztabletten
Mai 2022: Soft-Drinks von BETTERGY
An einer Gründung interessiert? Schreibt uns gern eine Mail an info@starthaus-bremen.de oder ruft uns unter +49 (0)421 9600 372 an, wenn ihr Fragen zu eurer Gründung(sidee) habt. Wir haben die Antworten.
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