Mehr als nur Beratung: Sie begleiten die Sozialunternehmen im kleinsten Bundesland
Social EntrepreneurshipHinter den Kulissen mit Uwe Wunder und Hanna Ehlert vom Social Impact Lab Bremen
Im Programm Social Entrepreneur by Starthaus arbeitet das Starthaus Bremen & Bremerhaven, die zentrale Anlaufstelle für Gründungen, eng mit dem Social Impact Lab Bremen zusammen. Hier können sich Gründungsinteressierte und bestehende Unternehmen Antworten auf ihre Fragen rund ums Thema Social Entrepreneurship holen und sich über ihre Möglichkeiten informieren. Wir haben uns mit Hanna Ehlert und Uwe Wunder, den Standortleiter:innen in Bremen, über die typischen Fragen, die Bremer Szene und nachhaltige Tipps für alle Unternehmen unterhalten.
Starthaus: Hallo Hanna, hallo Uwe. Schön, dass wir in diesem Jahr so viel gemeinsam daran arbeiten, Social Entrepreneurship im kleinsten Bundesland voranzubringen. Seit wann arbeitet ihr denn in diesem Bereich? Und warum eigentlich?
Hanna Ehlert: Im direkten Kontakt mit dem Thema Social Entrepreneurship bin ich als Gründungsbegleiterin seit Mitte/Ende 2020. Vorher hatte ich selbst Gründungsambitionen, kenne also auch die andere Seite und das Umfeld hier in der Region gut. Durch meine Arbeit als Prozessbegleiterin habe ich vielfältige Schnittstellen zu dem Thema und begleite seit langer Zeit gesellschaftliche Initiativen sowie Politik und Verwaltung in ihren Veränderungsprozessen.
Uwe Wunder: 2016 habe ich den Gründer der Social Impact gGmbH kennengelernt und unmittelbar mit dem Fundraising für das Lab in Bremen begonnen. Ich setze mich mit meiner Arbeit für die Umsetzung von sozialen Innovationen ein, weil ich der Überzeugung bin, dass sie einen wichtigen Beitrag für die Stärkung des gesellschaftlichen Miteinanders leisten.
Wie viele Beratungen hattet ihr als Social Impact Lab Bremen in diesem Jahr schon?
Hanna: In diesem Jahr haben wir rund 30 Gründer:innen und Gründungsteams begleitet. Wir sprechen bewusst von Begleitung, da es bei unserer Arbeit nicht nur um die Beratung mit fachlicher Expertise geht, sondern auch das Coaching eine große Rolle spielt, also persönliche Reflexion, neue Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten.
Gibt es bestimmte Branchen, die euch um Rat bitten oder kommen die Gründungsinteressierten aus allen Bereichen?
Uwe: Es gibt keine bestimmte Branche, aus der besonders viele Gründer:innen kommen. Die Herausforderungen, mit denen sich die Gründer:innen beschäftigen, finden sich alle in den Zielen für nachhaltige Entwicklung wieder. Auf unserer Community Website zeigen wir Beispiele für Bremer Gründer:innen, die wir begleiten durften. Da geht es beispielsweise darum Arbeitsplätze zu schaffen, Bildung für sozial benachteiligte Menschen zu unterstützen und die Arbeit mit Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf zu fördern.
Zu welchen Themen haben die meisten Gründer:innen Fragen?
Hanna: Die meisten angehenden Gründer:innen, die zu uns in die Beratung kommen, befinden sich in der Vorgründungsphase. Das heißt, sie haben eine vage Idee, was und in welcher Form sie gründen wollen, benötigen aber Unterstützung darin, die Geschäftsidee klarer auszuformen. Auch geht es viel darum, in welcher Form eine Gründung in den persönlichen Lebens- und Arbeitsprozess passt: Teilzeit- oder Vollzeitgründung, allein oder im Team und so weiter. Oft geht es auch um Finanzierungs- und Rechtsformfragen.
Was ist die meistgestellte Frage? Und was die Antwort darauf?
Uwe: Sehr oft geht es darum, wie eine Finanzierung – sowohl des Geschäftsmodells als auch des eigenen Unterhalts in der Gründungsphase – aussehen kann. Hier sind die Antworten sehr divers, da die Finanzierung abhängig von zahlreichen Kontextfaktoren ist. Was jedoch für fast alle Gründungen in unserem Bereich gilt: Eine Finanzierung ist schwierig, vor allem in der Gründungsphase. Die meisten Gründungsstipendien zielen auf eine große Skalierbarkeit und technische Innovationen ab. In dem Feld der sozialen Innovationen, in dem sich unsere Gründer:innen vorwiegend bewegen, gibt es bisher wenige Förderprogramme. Sowohl regional als auch national und EU-weit darf sich hier gerne etwas bewegen. Mit Impact Investing entsteht aber aktuell eine weitere ganz neue Finanzierungsoption. Auch der Starthaus Mikrokredit und das Starthaus Crowdfunding sind wichtige Tools für die Finanzierung von Sozialunternehmen. Die Matchfunding-Kampagne Social Mission Possible unterstützt zum Beispiel sozial und ökologisch nachhaltige Crowdfunding-Kampagnen.
Haben die meisten Interessenten schon einen nachhaltigen Ansatz und wollen ihn ausbauen oder fangen sie eher bei Null an?
Hanna: Viele kommen mit einer gemeinwohlorientierten Idee und mit einer dementsprechenden Gründungshaltung zu uns. Das heißt, sie bringen einen nachhaltigen Ansatzpunkt mit. Dementsprechend würde ich auf keinen Fall davon sprechen, dass sie bei Null anfangen, denn die meisten Gründer:innen sind enorm sensibilisiert für die gesellschaftlichen Missstände, die sie beheben wollen, und bringen tolle Ideen mit. Es gibt jedoch auch Gründer:innen, die gar nicht aus einer sozialen Mission heraus gründen wollen, bei denen sich im Laufe der Zeit jedoch Punkte auftun, an denen sie gewisse nachhaltige Aspekte mit einbinden – nicht zuletzt, weil die Integration dieser Punkte mehr Erfolg am Markt verspricht.
Musstet ihr Leuten auch mal von einer Gründung abraten? Wenn ja, warum?
Hanna: Ja, auch das passiert. Es kann sein, dass sich im Gespräch herausstellt, dass eine Gründung zum gegebenen Zeitpunkt nicht stimmig ist. Da können private Gründe hinter stehen, wie zum Beispiel zu wenig Kapazitäten, persönliche Gründe wie eine zu große Sorge vor finanzieller Unsicherheit oder strategische Aspekte. So sollte jemand erst einmal Felderfahrungen in einem Angestelltendasein sammeln und im Anschluss gründen. Es ist auch schon passiert, dass das Geschäftsmodell komplex und in der ersten Form nur schwierig umsetzbar ist. Dann begleiten wir darin, das Geschäftsmodell zu überarbeiten und zunächst die Komplexität zu verringern.
Glaubt ihr, dass jedes Unternehmen einen Teil zu mehr sozialer oder ökologischer Nachhaltigkeit leisten kann?
Hanna: Klar, können alle etwas dazu leisten. Das gilt sowohl für die individuelle-persönliche Ebene als auch für die unternehmerische. Selbst wenn das Produkt an sich nicht unbedingt nachhaltig ist, können erste Hebel auf der Ebene der Unternehmenskultur und des Miteinanders in Bewegung gesetzt werden. Emanzipierte Mitarbeiter:innen, die sich regelmäßig fortbilden können und ihren Arbeitsplatz und ihren Arbeitskontext aktiv mitgestalten, sind bereits ein großer Teil einer nachhaltigen Herangehensweise. Später wird sich das auch auf die weitere Unternehmensstrategie, wie zum Beispiel die Produkt- und Dienstleistungsgestaltung, auswirken. Die Gemeinwohlmatrix der Gemeinwohlökonomie gibt diese Sicht auch gut wieder: Es wird deutlich, das auf vielen unterschiedlichen Ebenen, wie dem ethischen Finanzmanagement, der Arbeitsplatzqualität, dem Beitrag zum Gemeinwesen, der Gleichbezahlung aller Geschlechter, der ökologische Produktgestaltung und vielem mehr, Hebelpunkte zur Veränderung liegen.
Uwe: Absolut. Ich bin der Überzeugung, dass alle Menschen in den Unternehmen und Institutionen die Verpflichtung haben, sich für das Wohl der Menschen auch im unternehmerischen Rahmen einzusetzen. Langfristig müssen alle wirtschaftlichen Aktivitäten auf das Wohl der Menschen ausgerichtet werden. Jede Art anders zu wirtschaften wird aus meiner Sicht keine Zukunft haben. Unternehmen, die sich nicht zu 100 Prozent nachhaltig ausrichten, werden vom Markt verschwinden, weil sie keine Akzeptanz bei Mitarbeiter:innen, Kund:innen und Lieferant:innen mehr haben werden.
Wie empfindet ihr die Social-Entrepreneurship-Szene im Land Bremen?
Hanna: Teilweise sehr interessant und fortschrittlich, teilweise kann das Ganze noch mehr Fahrt aufnehmen. Wir denken, es ist wichtig, sich noch mehr zusammenzuschließen und gemeinsam für gute Rahmenbedingungen zu sorgen, damit die jeweiligen Ansätze noch mehr gesellschaftlich Wirkung entfalten können.
Was würdet ihr euch noch wünschen?
Uwe: Ich habe da noch einen Traum: Dass es uns, also allen Akteuren von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, gelingt, Bremen zu einem lebendigen Zentrum für die Entwicklung und Etablierung von sozialen Innovationen zu machen. Möglichst viele Social Entrepreneure in Bremen zur Gründung anzuregen und Sozialunternehmen, die an einem anderen Ort gegründet haben, in Bremen anzusiedeln. Daran arbeiten wir gerade mit der Stadt Bremen und versuchen diese Angebote nun für die nächsten Jahre zu verstetigen.
Vielen Dank für eure Zeit und euer Engagement!
Ihr wollt mehr über die Arbeit der Beiden erfahren? Dann könnt ihr hier unser ausführliches Interview mit Hanna lesen.
An einer Gründung interessiert? Schreibt uns gern eine Mail an info@starthaus-bremen.de oder ruft uns unter +49 (0)421 9600 372 an, wenn ihr Fragen zu eurer Gründung(sidee) habt. Wir haben die Antworten.
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